Was ist Naturethik?

Was ist Naturethik?


Die Naturethik (manche verwenden auch den Begriff Umweltethik) beschäftigt sich mit der Frage, wie der Mensch sich gegenüber der nichtmenschlichen Umwelt, also der Natur, verhalten muss oder soll. Dazu gehört die Frage, welche Rechte Menschen im Umgang mit Tieren, Pflanzen, der nicht belebten Natur haben. Dazu gehört aber auch die Frage, welche Pflichten und Verantwortlichkeiten sich aus diesem Umgang ergeben.


Umweltethik ist also immer auch Verantwortungsethik. Die zentrale umweltethische Frage ist, welche Verantwortung „der Mensch“ gegenüber der nicht-menschlichen Natur, also der Umwelt, hat.



Naturethische Fragen lassen sich auf der Grundlage bestimmter Werte und Werthaltungen definieren. Diese Ansätze nennt man deontologische Ansätze (von to deon = die Pflicht). 


Beispiele für ein solches Prinzipien wären „Ehrfurcht vor allem Lebendigen“ oder „Ehrfurcht vor der Schöpfung“ oder „Vermeidung von Leid“ oder ‚“Schutz der menschlichen Lebensgrundlage“, „Schutz der natürlichen Ressourcen“, ….


Teleologische Ansätze (von griech.: telos = Ziel) überlegen, welche positiven und negativen Folgen ein bestimmtes Verhalten hat / haben kann. Ziel wäre es, die negativen Folgen zu minimieren und die positiven Folgen zu maximieren. 


Handlungssubjekt, um das es in der Naturethik geht, ist der Mensch. Das heißt, der Mensch (der einzelne Mensch, Organisationen wie Unternehmen, gesellschaftliche Organisationen wie Staaten) müssen ihr Handeln im Hinblick auf die naturethischen Werthaltungen und die naturethischen Folgen bewerten. Sie müssen diskutieren (und entscheiden), welchen Umgang mit Tieren, Pflanzen oder der nicht-belebten Natur sie verantworten oder rechtfertigen können. Sie müssen diskutieren und entscheiden, welchen Handlungsalternativen und welchen Werten sie im Konfliktfall Vorrang einräümen. So muss der einzelne Mensch entscheiden, ob er lieber wenig Geld für billiges Fleisch ausgibt (und dafür in Kauf nimmt, dass dafür Tiere unter tierquälerischen oder zumindest fragwürdigen Bedingungen leben mussten) oder ob er lieber mehr Geld für Fleisch aus tierfreundlicher Haltung ausgibt oder ober er überhaupt kein Fleisch essen will. 


Handlungsobjekt, also Adressat des ethischen Handelns, ist die nicht-menschliche Umwelt, also Tiere, Pflanzen, die nicht belebte Natur.



Unterbereiche oder spezielle Themenfelder der Naturethik


Je nachdem, was man mit "Natur" meint, kann das Ziel ethischer Handlungsnormen weiter eingegrenzt werden:


Tierethik

Tierethik diskutiert ethische Prinzipien im Umgang mit Tieren. Diese Fragen stellen sich dort, wo der Mensch in den Lebensraum von Tieren eingreift oder Tiere für sich nutzbar macht. Dazu zählen z. B.

  • Landwirtschaft / (Massen)tierhaltung / Tierzucht
  • Jagd / Fischerei
  • Sport / Freizeit (Reiten, …)
  • Zoos / Zirkus
  • Haustiere (Überzüchtungen, Exotenhaltung, Tiere als Partnerersatz; …)
  • Tierversuche (für medizinische, kosmetische, andere Zwecke)
  • Beanspruchung der Lebensräume von Tieren (Naturschutz, Erschließung der Alpen, Straßenbau, …)

Die Einstellung des Menschen gegenüber Tieren wird beeinflusst durch:

  • Kultur
  • Religion
  • Erziehung
  • persönliche Erfahrung


Eine Tierethik könnte man weiters nach der Schmerzempfindlichkeit oder der Differenziertheit des Nervensystems differenzieren. So könnte man eine Taxonomie von einfach strukturierten Tieren (Insekten/Schnecken/Muscheln) über Reptilien, Fische und Vögel hin zu Säugetieren machen. Die Säugetiere könnte man differenzieren nach „einfacheren“ (z. B. eine Maus) und komplexeren Säugetieren (z. B. Hominiden wie Schimpansen, Orang Utangs oder Gorillas).


Als anthropologische (anthropos = Mensch) Fragen im Hintergrund lassen sich die Frage der Beziehung zwischen Mensch und Tier, die Frage nach dem fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Tier, die Frage nach Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier, … stellen.


Anthropozentrische versus Physiozentrische Ethik 


Anthropozentrisch nennt man eine Naturethik, die im Kern davon ausgeht, dass entweder nur der Mensch per se schützenswert sei. Oder (in der schwächeren Form) geht sie davon aus, dass der Mensch auf jeden Fall eine ganz starke Sonderstellung hat und hierarchisch über den anderen Lebewesen (vor allem den Tieren) steht. Auf der Grundlage dieser Ethik sind Tiere und die Natur vor allem dann schützenswert, wenn dadurch (indirekt oder direkt) menschliche Interessen mitbetroffen sind. Also dürfen wir z. B. Tiere nicht quälen oder stressen oder mit Hormonen vergiften, weil wir dann die Qualität des Fleisches, das wir anschließend essen, verschlechtern. Oder wir dürfen Pflanzen in ihrem Bestand nicht gefährden, weil wir nicht wissen, ob und inwiefern diese in der Zukunft noch nützen könnten oder ob und inwiefern ihr Genpool für die Menschen zukünftig noch wichtig sein könnte. 


Physiozentrisch ist eine Naturethik, die dem Menschen nicht per se eine Sonderrolle zuspricht oder die (in der schwächeren Form) zumindest einen fairen Interessensausgleich zwischen menschlichen Interessen und nicht-menschlichen (tierischen) Interessen fordert. So dürfen wir in der Landwirtschaft diesem Ansatz zufolge nicht einfach auf möglichst billige Fleischproduktion achten. Wir müssen in Kauf nehmen, dass Fleisch teu(r)er ist, wenn damit die Lebensbedingungen für Tiere, deren Fleisch wir essen, dadurch verbessert werden, wenn sie also z. B. artgerechtere Lebensbedingungen haben, wenn sie mehr Platz zur Verfügung haben, wenn sie langsamer wachsen dürfen, wenn extreme Züchtungsformen nicht erlaubt sind, ...



Ökologische Ethik


Ökologische Ethikdiskutiert ethische Fragen und Prinzipien Eingriffe in Ökosysteme betreffend. Dazu zählen zum Beispiel Ressourcen-Verbrauch (Erdöl, Erdgas, Kohle, aber auch Wasser oder Landschaft; Abfallproblematik;) Umweltverschmutzung (von der Verschmutzung der Meere mit Erdöl über Feinstaubbelastung bis zu CO2-Ausstoß und Ozonloch), die Ausrottung von bestimmten Pflanzen und Tieren, Artenschwund, …


Ethik und Biotechnologien


Am stärksten diskutiert ist derzeit die Ethik biotechnologische Verfahren betreffend.

Sie beschäftigt sich im nichtmenschlichen Bereich mit biotechnologischen Veränderungsmöglichkeiten von Pflanzen und Tieren und diskutiert deren ethische Verträglichkeit. Die am häufigsten diskutierten Techniken sind das Klonen von Tieren und das Einschleusen artfremder Gene in eine Pflanze (= Erzeugung transgener Pflanzen) oder seltener in ein Tier. Dass Medikamente zu einem großen Teil mithilfe gentechnisch veränderter Bakterien erzeugt werden, wissen viele Menschen nicht. Heftig diskutiert ist der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft (gentechnisch veränderte Nahrungsmittel oder Futtermittel). Etwas aus den Schlagzeilen geraten ist – nachdem das erste Klonschaf Dolly recht früh verstorben ist - die gentechnische Manipulation oder das Klonen von Tieren.


Wie alle ethischen Fragen sind natur- und umweltethische Fragen nicht wissenschaftlich im Sinn von "wahr oder falsch" zu beantworten. Die philosophische Ethik geht aber davon aus, dass sie rational diskutierbar und in vielen Fällen auch entscheidbar sind. Und eine seriöse Diskussion kann das, was die Erfahrungswissenschaften herausfinden, natürlich nicht ignorieren. Ganz im Gegenteil: sie muss dieses Wissen im Hinblick auf seine ethischen Konsequenzen durchdenken und hinterfragen. 

 


Arbeitsaufgaben

A1: Verfasse eine übersichtliche Mindmap zur Frage, was Naturethik ist, um welche zentralen Fragestellungen es geht, welche Teilbereiche Naturethik umfasst, ...

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A 2: Naturethik in Cartoons
Suche dir einen der Cartoons aus und verfasse dazu einen Kommentar im Hinblick auf die Frage, ob und inwiefern er etwas mit Naturethik zu tun hat. Übersetze – wenn möglich – die „Moral“ oder den Appell, den du im Cartoon erkennst
cartoons_naturethik_einstieg.pdf
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A3: Reflexion / Fragebogen zum Thema Naturethik und eigenes Verhalten.
Überlege, wie du die folgenden Fragen beantworten würdest. Überlege, inwiefern diese Fragen einen umweltethischen Aspekt haben. Nach welchen ethischen Prinzipien kann man eine Entscheidung treffen? Um welche möglichen Folgen geht es, wenn wir diese Fragen überlegen? Formuliere zu zwei Themen einen kurzen Kommentar, in dem du eine Beziehung zwischen der Aussage auf der einen Seite und naturethischen / umweltethischen Aspekten auf der anderen Seite herstellst.
Reflexion zum Thema Natur.pdf
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