Ethisches Handeln. Der Mensch als "homo ethicos"?


Der Mensch als "homo ethicos"

Der Mensch als "ethisches Wesen"

 

Ethische Fragen beschäftigen Menschen (selbst wenn sie noch niemals etwas über Ethik gehört haben), sobald sie über ihr eigenes Handeln und das Handeln anderer Menschen nachdenken können.

 

Die Philosophie meint, die Ursache dafür liege im menschlichen Wesen. [Nur] der Mensch sei das Lebenwesen, das „in der Zeit lebt“. Menschen können sich – mithilfe des Gehirns bzw. mithilfe des symbolischen Denkens – aus der Gegenwart lösen. Sie können „im Kopf“ in die Vergangenheit zurückreisen. Dadurch entsteht (auf der persönlichen Ebene, aber auch auf der gesellschaftlichen Ebene) Gedächtnis. Und sie können Zukunftsszenarien entwerfen. Dadurch entstehen Zukunftsvorstellungen, die unser Verhalten in der Gegenwart beeinflussen. Durch beides entsteht Identität (Wissen um sich selbst).

 

Kollektive und individuelle Identitäten. 

 

Individuelle [Individuum = das Unteilbare = der einzelne Mensch in seiner Ganzheit] Identität ist mein persönliches Bild von mir selbst. Es beinhaltet die eigenen Vorstellungen von der eigenen Vergangenheit und das Wissen um die eigene Vergangenheit. Und es beinhaltet die eigenen Vorstellungen von der eigenen Zukunft, also Zukunftspläne, Visionen, Träume, ...

 

Kollektive [Kollektiv = Gemeinschaft] Identität ist das Bild, das in einer Gesellschaft über diese Gesellschaft vorherrschend ist. (z. B. unterscheidet sich die kollektive Identität der us-amerikanischen Gesellschaft von der kollektiven Identität der westeuropäischen Gesellschaften).

 

Handeln im Jetzt; mit Blick auf Vergangenheit und Zukunft

 

Jeder einzelne Mensch, jede soziale Gruppen (Familie, Religionsgemeinschaft, Unternehmen, ...) und politische Institutionenen (Städte, Regionen, Staaten, Nationen, ....) müssen handeln und damit Entscheidungen treffen, also zweischen zwei oder mehr möglichen Wegen wählen. Philipp in der Dilemma-Geschichte muss wählen, ob er seine Freundin Anna verpetzt oder nicht. Du hast vor kurzem wählen müssen, an welcher Schule und in welchem Schulzweig du deine Schullaufbahn fortsetzt. Vor kurzem haben die WählerInnen in Österreich zwischen einem Berufsheer und einem Milizheer gewählt (und sich für die Beibehaltung des Milizheeres) entschieden. 

 

Jede Wahl hat eine Vergangenheitsperspektive (Woher kommen wir als Staat und als Gesellschaft? Welche Werte sind uns wichtig? Welche Traditionen sind uns wichtig?). Und sie beinhaltet eine Zukunftsperspektive (Wie wollen wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln?)

  

Vergangenheitsperspektive und Zukunftsperspektive beeinflussen also unser Verhalten in der Gegenwart. Wir fühlen uns bestimmten Traditionen, Vereinbarungen und Werthaltungen verpflichtet. Und wir wollen, dass unser Leben in der Zukunft sich in eine bestimmte Richtung bewegt.

 

In der Ethik geht es also in Entscheidungssituationen um die Frage, welcher Weg (philosophisch gesprochen: welche Handlungsalternative) der [wahrscheinlich, vermutlich] ethisch bessere ist.  Ethisch besser ist er, wenn er unseren Werthaltungen besser entspricht. Oder wenn er vermutlich in Summe die besseren Folgen mit sich bringt. 

religiöse Ethik und nichtreligiöse Ethik: ein Vergleich

Traditionellerweise kümmern sich Glaubensgemeinschaften und Religionen um Sinnfragen, um Wertfragen und um ethische Richtlinien. In der christlich geprägten Kultur sind beispielsweise die 10 Gebote, die Moses angeblich auf dem Berg Sinai von Gott erhalten hat, grundlegend. Im Islam sind es die fünf Säulen des Islam. Religionen haben für ihre Werte und für die Verhaltensregeln, die sie daraus ableiten, einen absoluten Bezugspunkt. Sie glauben, dass diese Werte und Normen den Menschen von Gott übermittelt worden seien. Insofern kann man diese auch nicht einfach aufgeben oder loswerden; zumindest nicht ohne sich gegen den göttlichen Willen zu versündigen. 

 

Allenfalls kann man religiöse Vorschriften neu interpretieren. Dann stellt sich zum Beispiel die Frage, wer denn dazu berechtigt sein soll. In vielen Glaubensgemeinschaften beanspruchen religiöse Autoritäten, z. B. Priester oder Schriftglehrte, das Vorrecht, Regeln für alle verbindlich zu deuten. Von den Gläubigen wird dann Gehorsam verlangt, selbst dann, wenn sie die Richtigkeit dieser Regeln nicht nachvollziehen können oder nicht einsehen. 

 

Moderner ist es allerdings, den Menschen auch einen persönlichen Entscheidungsspielraum in ethischen Fragen zu geben. Das ist z. B. dann der Fall, wenn gläubigen KatholikInnen zugestanden wird, gegen die offizielle religiöse Lehre selbst zu entscheiden, ob sie zusammenleben wollen, obwohl sie im katholischen Sinn kein Ehepaar sind; oder wenn gläubigen KatholikInnen gegen die offizielle Lehre zugestanden wird, selbst zu entscheiden, ob sie technische Verhütungsmittel einsetzen. Im Islam wäre ein Beispiel, dass liberale ReligionswissenschaftlerInnen oder Imame Frauen zugestehen, selbst zu entscheiden, ob sie in der Öffentlichkeit "ein Kopftuch" tragen wollen. 

 

In einer modernen säkularen (säkular = weltlich, nicht-religiös) Gesellschaft, in der Menschen mit ganz unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen in einem Staat zusammenleben und sich viele Menschen überhaupt nicht einer Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen, können Normen (beispielsweise in Schulen, in Unternehmen, in einem Staat) nicht religiös begründet werden. Es braucht also eine nicht-religiöse Ethik. 

 

Dabei geht es um die Frage, wie Werte und Handlungsregeln letztbegründet sind. Religionen können sie auf eine göttliche Autorität zurückführen. Säkulare Institutionen können das nicht. Sie müssen sie z. B. demokratisch (Mehrheit) festlegen. Oder sie müssen sie von übergeordneten Prinzipien (z. B. Menschenrechte, Verfassung) ableiten. 

 


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im Alltagssituationen ethische Entscheidungen treffen
Suche zwei Beispiele für Entscheidungssituationen, in die Jugendliche kommen können. Reflektiere die Situationen im Hinblick auf ihren ethischen Gehalt. Fülle das Arbeitsblatt nach dem Musterbeispiel aus. Stelle eines der Beispiele vor (auch: Partner- oder Gruppenarbeit)
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Wissenschaftliche und ethische Aussagen erkennen
Stelle den wissenschaftlichen Aussagen (Tatsachenbehauptungen) in der Tabelle ethische (normative) Aussagen, die dazu passen, gegenüber. Überlege, um welche Werte, Rechte und Pflichten es dabei im Hintergrund geht.
05_deskriptive_vs_normative Aussagen.pdf
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säkulare Ethik und religiöse Ethik im Vergleich. Zum Weiterdenken
Ordne Aussagen im Hinblick auf die Frage, ob sie auf einer religiösen oder auf einer nicht-religiösen Ethik aufbauen. Begriffe aus dem Themenfeld definieren.
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