Platon und das Höhlengleichnis

Leben und Werk 

Platon (Bildquelle: Wikipedia)
Platon (Bildquelle: Wikipedia)

Leben:

Platon wird 428/427 vuZ geboren und kommt aus einer vornehmen athenischen Familie, die mit Oligarchen und Demokraten (den beiden führenden Parteien) eng verwandtschaftlich verbunden ist. Er soll der Familientradition gemäß eine politische Karriere machen; die politische Praxis (Korruption, Freunderlwirt­schaft, ...) schreckt ihn jedoch ab. Zirka 404 begegnete er Sokrates und wird dessen Schüler. Nach der Verurteilung und Hinrichtung von Sokrates (399) verlässt Platon wie viele andere Anhänger des Sokrates Athen. Er reist nach Unteritalien, nach Sizilien, auf verschiedene griechische Inseln, Einige Zeit muss er am Hof des Dionysus I in Syrakus gewesen sein; die geistig-erotische Beziehung zu dessen Schwieger­sohn Dion und die Verstrickung in die Machtpolitik werden für ihn zum Problem: angeblich ist er, nachdem er in Ungnade gefallen ist, als Sklave ver­kauft worden. Ein reicher Athener Bürger hat ihn gekauft und ihm dann die Freiheit geschenkt. Platon kehrt nach Athen zurück und gründet dort zirka 385 die Platonische Akademie, eine Schule und Lebensgemeinschaft nach pythagoräischem Vorbild. Er schreibt zahlreiche Werke, die zu einem großen Teil erhalten geblieben sind. Zirka 348/47 stirbt er in Athen. 

 

Werke:

 

Grundsätzliches: Die Werke Platons sind v. a. in Dialogform, in der Sokrates mit einem Schüler oder Gegner diskutiert, gehalten. (Die Thesen von Sokrates werden v. a. aus den Platonschen Schriften abgeleitet!)

 

Beispiele:

  • Politeia (Der Staat): Staatstheorie; Vorstellungen vom idealen Staat; Höhlengleichnis an zentraler Stelle in der Politeia
  •  Phaidon: Ideenlehre
  •  Gorgias: Kampf gegen die Sophisten (v. a. Protagoras)

 

Bedeutung Platons:

 

Plato ist neben Aristoteles der wahrscheinlich einflussreichste Philosoph überhaupt. Ein Philosoph des 20. Jh. hat einmal gemeint, die gesamte abendländische Philosophie bestehe aus Fußnoten zu Plato. Dies hat verschiedene Gründe. Ein wichtiger Grund ist unter anderem, dass seine Vorstellungen sich mit wichtigen Grundanliegen des Christentums gut vertrugen. Dies gilt vor allem für seine Ideenlehre, in der Plato - durchaus in Übereinstimmung mit der griechischen Denktradition - die Wirklichkeit in zwei Bereiche teilt, nämlich in einem materiellen und in einen nicht-materiellen oder geistigen Bereich und den geistigen Bereich (Ideen) von der Wertigkeit her höher bewertet. Dieser Ansatz passt gut zur Abwertung alles Körperlichen und zur Idealisierung des Geistigen im Rahmen des Christentums, aber auch im Rahmen anderer Welt-Bilder.

 

Über die Philosophen der Aufklärung (Kant) und des Idealismus (Hegel) sind die Platonschen Ideen u. a. in die politischen und sozialwissenschaftlichen Ansätze im 19. u. 20. Jh. eingeflossen (Staatstheorien wie Liberalismus, Marxismus; Literaturtheorien, Kunsttheorien, ......).

 

Verschiedene Philosophen (z. B. K. R. Popper: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“) kritisieren die Idealisierung Platons und führen verschiedene Fehlanschauungen und blinde Flecken auf Platons Grundansätze zurück (z. B: Künstliche Trennung von Körper und Geist; Totalitarismus)

 

Grundbegriffe, die auf Plato zurückgehen:

 

  • Prinzip der Dialektik (als Prinzip des Wissenschaftsfortschritts)
  • Platonischer Dualismus ; platonischer Idealismus (eigentlich pythagoräisch)

Das Höhlengleichnis (Politeia)

"Stelle dir Menschen vor in einer unterirdischen, höhlenartigen Behausung; diese hat einen Zugang, der zum Tageslicht hinaufführt, so groß wie eine ganze Höhle. In dieser Höhle sind sie von Kind auf, gefesselt an Schenkeln und Nacken, so dass sie an Ort und Stelle bleiben und immer nur geradeaus schauen; ihrer Fesseln wegen können sie den Kopf nicht herumdrehen. Licht aber erhalten sie von einem Feuer, das hinter ihnen weit oben in der Ferne brennt.

Zwischen dem Feuer und den Gefesselten aber führt oben ein Weg hin; dem entlang denke dir eine kleine Mauer errichtet, wie die Schranken, die die Gaukler vor den Zu­schau­ern aufbauen und über die hinweg sie ihre Kunststücke zeigen."

"Ich sehe es vor mir", sagte er.

"Stelle dir nun längs der kleinen Mauer Menschen vor, die allerhand Geräte vorüber tragen, so, dass diese über die Mauer hinausragen, Statuen von Menschen und anderen Lebewe­sen aus Stein und aus Holz und in mannigfacher Ausführung. Wie natürlich, redet ein Teil dieser Träger, ein anderer schweigt still."

"Ein seltsames Bild führst du da vor, und seltsame Gefesselte", sagte er.

"Sie sind uns ähnlich", erwiderte ich. "Denn erstens: glaubst du, diese Menschen hätten von sich selbst und von­einander je etwas anderes zu sehen bekommen als die Schatten, die das Feuer auf die ihnen gegenüberliegende Seite der Höhle wirft?"

"Wie sollten sie", sagte er, "wenn sie zeitlebens gezwungen sind, den Kopf unbeweglich zu halten?"

"Was sehen sie aber von den Dingen, die vorüber getragen werden? Doch dasselbe?"

"Zweifellos."

"Wenn sie nun miteinander reden könnten, glaubst du nicht, sie würden das als das Seiende bezeichnen, was sie sehen?"

"Notwendig."

"Und wenn das Gefängnis von der gegenüberliegenden Wand her auch ein Echo hätte und wenn dann einer der Vorübergehenden spräche - glaubst du, sie würden etwas an­deres für den Sprechenden halten als den vorbeiziehenden Schatten?"

"Nein, beim Zeus", sagte er.

"Auf keinen Fall", fuhr ich fort, "könnten solche Men­schen et­was anderes für das Wahre halten als die Schatten jener künstlichen Gegenstände."

"Das wäre ganz unvermeidlich", sagte er.

"Überlege dir nun", fuhr ich fort, "wie es wäre, wenn sie von ih­ren Fesseln befreit und damit auch von ihrer Tor­heit geheilt würden; da müsste ihnen doch naturgemäß folgendes widerfahren: Wenn einer aus den Fesseln gelöst und genötigt würde, plötzlich auf­zu­ste­hen, den Hals zu wenden, zu gehen und gegen das Licht zu schauen, und wenn er bei all diesem blendenden Glanze jene Dinge nicht recht erken­nen könnte, deren Schatten er vorher gesehen hat - was meinst du wohl, dass er antworten würde, wenn ihm jemand erklärte, er hätte vorher nur Nichtigkeiten gesehen, jetzt aber sei er dem Seienden näher und so, dem ei­gentlichen Seienden zugewendet, sehe er richtiger? Und wenn der ihm dann ein jedes von dem Vorüberziehenden zeigte und ihn fragte und zu sagen nötigte, was das sei? Meinst du nicht, er wäre in Verlegenheit und würde das, was er vorher gesehen hat, für wahrer (wirklicher) halten als das, was man ihm jetzt zeigt?"

"Für viel wahrer (wirklicher)", erwiderte er.

"Und wenn man ihn gar nötigte, das Licht selber anzu­blicken, dann schmerzten ihn doch wohl die Augen, und er wendete sich ab und flöhe zu den Dingen, die er anzu­schauen vermag und glaubte, diese seien tatsächlich klarer als das, was man ihm jetzt zeigt.

"Es ist so", sagte er.

"Schleppte man ihn aber von dort mit Gewalt den rauen und steilen Aufgang hinauf", fuhr ich fort, "und ließe ihn nicht los, bis man ihn an das Licht der Sonne hinausgezogen hätte - würde er da nicht Schmerzen empfinden und sich nur widerwillig so schleppen lassen? Und wenn er ans Licht käme, hätte er doch die Augen voll Glanz und vermöchte auch rein gar nichts von dem zu sehen, was man ihm nun als das Wahre bezeichnete?"

"Nein", erwiderte er, "wenigstens nicht im ersten Augenblick."


Arbeitsaufgaben 

A1: Lies den Text und fertige anschließend eine Skizze der Platonischen Höhle an. Beachte folgende Elemente: Höhle, Gefangene, Feuer, Gegenstände, Ex-Gefangener, der Höhle verlässt, Welt außerhalb der Höhle. Im Internet nach Bildern / Skizzen suchen verdirbt den Spaß und gilt nicht!!!
A2: Interpretiere das Höhlengleichnis. Das heißt: Übersetze die Bildelemente im Hinblick auf deren rational-abstrakte Bedeutung. Berücksichtige die folgenden Elemente des Gleichnisses: Höhle, Gefangene, Feuer, Gegenstände, Schattenbilder, Ex-Gefangener, Welt außerhalb der Höhle
A3: Welche erkenntnistheoretische Frage ist Ausgangspunkt des Höhlengleichnisses? Welche Antwort gibt Platon auf diese Frage? Was ist aus heutiger Sicht von dieser Antwort zu halten? 
A4: Übertrage da Höhlengleichnis auf das Leben und Denken der Menschen in der heutigen Zeit: Sind wir alle HöhlenbewohnerInnen? Inwiefern? Was sind unsere "Fesseln"? Welchen Schattenbildern sitzen wir manchmal auf? Wie ist das Verhältnis zwischen Schattenbildern und Wirklichkeit? Ist es deiner Meinung nach möglich, die Fesseln zu sprengen und die Höhle zu verlassen? Warum (nicht)?
A5: Es gibt einige Spielfilme, die mit der Idee des Höhlengleichnisses "spielen", z.B. "Martix" oder "The Truman Show" oder (älter) "Der große Irrtum". Recherchiere zu einem der Filme, wie sie die Idee des Höhlengleichnisses aufgreifen.