Was ist Aufklärung?

Allgemeines

Die Aufklärung ist eine philosophische Bewegung etwa ab dem 18. Jahrhundert in Europa, die für die moderne Auffassung von Mensch-Sein und die moderne Auffassung über die Beziehung zwischen Staat und Individuum extrem prägend ist. Alle modernen europäischen Denktraditionen stehen in Bezug zur Aufklärung. Entweder indem sie sie linear weiterdenken (z. B. der Liberalismus) , oder indem sie sie modifizieren und neu interpretieren (wie z. B. der Marxismus oder die Existenzphilosophie) oder indem sie sie angreifen und kritisieren (z. B. Schopenhauer, Nietzsche). Auch die totalitären Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts, z. B. Faschismen, Rassismen, Nationalismen, sind Reaktionen auf aufklärerische Grundideen. So sprechen die Philosophen Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in einen sehr berühmten Essay aus den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts angesichts des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus von der "Dialektik der Aufklärung", die in den Totalitarismus umschlage / umgeschlagen sei. 

 

Aufklärerische Traditionen gibt es in mehreren europäischen Staaten parallel. Und die "führenden Köpfe" der Aufklärung stehen auch in Kontakt zueinander. Gemeinsam ist ihnen allen der unbedingte Glaube an die menschliche Vernunft und die Definition des Menschen als "animal rationale". Diese Tradition steht vor allem in der Tradition des französischen Philosophen Rene Descartes und dessen berühmter Aussage:  "Ego cogito, ergo sum" (dt.: "Ich denke, also bin ich").

 

Aber die Aufklärung entwickelt dann doch - abhängig von den jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen - jeweils eigene Akzente und Schwerpunkte. 

 

ein paar wichtige Vertreter der Philosophie der Aufklärung sind 

 

In England: John Stuart Mill (einer der Begründer des Liberalismus) und Adam Smith (einer der Begründer der modernen Ökonomie; These von der "unsichtbaren Hand des Marktes") 

 

In Frankreich: die Enzyklopädisten, v.a. Denis Diderot (sie wollen das gesamte Weltwissen den Menschen zugänglich machen und bestehen auf einer strikten Trennung von Religion und Wissenschaft), Voltaire 

 

In Deutschland: Immanuel Kant (Anthropologisch wichtig ist vor allem die Ethik; Aussage: "Zwei Dinge erfüllen meinen Geist immer wieder mit staunender Ehrfurcht: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.") 

 

Das Menschenbild der Aufklärung am Beispiel von I. Kant

Immanuel Kant (1724 bis 1804)
Immanuel Kant (1724 bis 1804)

Einer der zentralen programmatischen Aufsätze zur Aufklärung stammt vom Philosophen Immanuel Kant. Und auch wenn dieser Text vielleicht nicht ganz einfach zu lesen ist: inhaltlich bestimmt und beschreibt er wie kaum ein anderer das Menschenbild und das Gesellschaftsverständnis der Aufklärung.

 

Doch wer ist Immanuel Kant?

 

Das äußere Leben Kants ist schnell beschrieben: Er ist - o Wunder - nicht der Sohn eines evangelischen Pfarrers, sondern eines Handwerkers und wird 1724 in Königsberg - das man im heutigen Deutschland vergebens suchen wird, denn es liegt in Russland und heißt Kaliningrad - geboren. Kant wächst in Königsberg auf. Er studiert in Königsberg. Er lehrt in Königsberg auf der Uni Philosophie. Er wird in Königsberg alt. Er stirbt 1804 in Königsberg. Und er wird in Königsberg begraben.

 

Böse Zungen behaupten, Kant habe Königsberg nur einmal für einen Ausflug in die Umgebung verlassen. Das habe ihn dermaßen aus dem Konzept gebracht, dass er beschlossen habe, seine täglichen Spaziergänge unwiderruflich auf die Stadt zu beschränken.

 

Angeblich ist Kant jeden Tag - geweckt von seinem Diener, der auch noch ausgerechnet Lampe heißt - um pünktlich um 5.00 Uhr aufgestanden und haben den Tag jahrein und jahraus genau gleich abwechselnd mit Essen, Lesen, Schreiben, mit Freunden Diskutiern, Spazierengehen und Schlafen verbracht. Ansonsten erfährt man über sein Privatleben nichts. Auch von einer Frau oder einer Familie ist in den Biographien nirgends eine Spur zu finden. Ein etwas komischer Kauz scheint er schon gewesen zu sein, der Herr Oberstudienrat Kant. Vielleicht hat er das Bild des etwas "verschrobenen Professors" sogar stärker geprägt als 150 Jahre später ein gewisser Herr Einstein.

Heinrich Heine, der Kant übrigens nicht besonders mag, nicht zuletzt, weil er ihm im Leben und im Denken zu verschraubt und zu verkopft und wohl auch etwas zu vernünftig erscheint, spottet über Kant: Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben. Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. Er lebte ein mechanisch-geordentes, fast abstraktes Hagestolzleben in einem stillen abgelegenen Gässchen zu Königsberg ... Sonderbarer Kontrast zwischen dem äußeren Leben eines Mannes und seinen zerstörenden, weltzermalmenden Gedanken.

Die Karikatur zeigt den bereits über 80jährigen Kant beim Senfmixen und stammt von einem gewissen Friedrich Hagemann.

 

ein paar wichtige Ideen ...

 

Kant gilt als der zentrale Philosoph der deutschen Aufklärung, für manche (vor allem Deutsche) ist er überhaupt der wichtigste deutsche Philosoph, für einige sogar der wichtigste Philosoph aller Zeiten. (Wir müssen uns diesbezüglich ja zum Glück kein Urteil bilden)

 

Fakt ist, dass Kant ein paar ganz wichtige philosophische Fragen durchdacht hat und dabei zu fundamental neuen und radikalen Antworten gekommen ist, zumindest was seine eigene Zeit anbelangt.

 

Ein berühmter Satz von Kant lautet "Das Ding an sich ist nicht erkennbar". Damit ist in etwas Folgendes gemeint: Kant glaubt, dass die Menschen in ihrem Bemühen, sich selbst und die Welt, in der sie leben, zu erkennen, auf eine ganz prinzipielle und unüberwindbare Grenze stoßen. Wir können die Wirklichkeit aus ganz prinzipiellen Gründen nicht erkennen, zumindest nicht in einem absoluten Sinn. Denn wir sind immer an die "unsere angeborenen Anschauungsformen" Raum, Zeit und Kausalität gebunden. In heutiger Sprache würde das wohl heißen, dass unser Gehirn (und unsere Sinnesorgane) uns zwingen, die Welt auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu verstehen. Ob die Welt auch tatsächlich so (also räumlich, zeitlich, kausal) funktioniert, werden wir nie herausfinden können.

 

Wichtig ist auch, dass Kant mit seinem Kategorischen Imperativ die Ethik auf eine vernünftige Grundlage stellt. Das heißt, er glaubt, dass wir ethisch nur das akzeptieren müssen, was mithilfe der Vernunft begreifbar und argumentierbar ist. Wir müssen nichts Unvernünftiges glauben und befolgen, nur weil eine Autorität (egal ob Priester oder Herrscher oder sonstwer) uns das abverlangt. Das moralische Gesetz ist nicht in irgendeiner "Autorität", es ist nicht "in Gott", es ist "in uns selbst". Deshalb sagt Kant: "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."

 

Kant ist ein religiöser Mensch und er begegnet der Religion auch mit Respekt. Aber er macht klar, dass man religiöse Überzeugungen nicht beweisen könne und auch gar nicht beweisen müsse. Sie liegen jenseits des Vernünftigen und des vernünftig Argumentierbaren auf der Seite des Glaubens. Und es ist jedem Menschen selbst überlassen, was er glauben möchte und was nicht. Allerdings glaubt Kant, es sei ein Gebot der praktischen Vernunft, an Gott zu glauben, obwohl die theoretische Vernunft nicht in der Lage ist, über Gott etwas herauszufinden, nicht einmal ob er existiert.

Und wem das jetzt alles ein bisschen zu kompliziert klingt: In der 8. Klasse wartet das wunderbare Fach Philosophie auf uns.

 

Auch mit Fragen nach der Gerechtigkeit, nach dem guten Staat, nach der richtigen Erziehung von Kindern und mit vielen anderen Fragen setzt Kant sich auseinander.

 

"Was ist Aufklärung?" - eine berühmte Antwort auf eine schwierige Frage.

Kants programmatischer Essay "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung" erscheint im Dezember 1784 (also schon gegen Ende der Aufklärungsepoche, aber noch vor der Französischen Revolution, die sich ja auch auf die Ideale der Aufklärung bezieht!) in der "Berlinischen Monatsschrift".

 

Der Text Kants ist die Antwort auf einen Seitenhieb auf die Aufklärung, den sich ein Pfarrer mit dem Namen Johann Zöllner in einem Zeitschriften-Artikel erlaubt hat: Er stellt in einer Fußnote die süffisante Frage: "Was ist Aufklärung" und kritisert, dass es immer noch keine klare und eindeutige Definition von Aufklärung gebe, obwohl "die Aufklärer" sich schon Jahrzehnte mit dieser Frage beschäftigten.

 

Damit ist auch klar, was das Ziel des Kantschen Textes ist: Er verteidigt in diesem Text das Projekt der Aufklärung gegen die  zahlreichen Kritiker und Skeptiker, die nicht an die Vernunft des Menschen glauben und behaupten, dass der einfache Mensch der klaren Führung durch religiöse und kirchliche Autoritäten bedürfe. Er wendet sich in seinem Text aber auch an ein breites, interessiertes Laienpublikum (weshalb er sprachlich für Kantsche Verhältnisse auch relativ einfach und klar gehalten ist). Dieses Publikum möchte er von den Ideen der Aufklärung überzeugen.

 

Download
Der Mensch zwischen "Animal rationale" und "wildem Tier". Arbeitsblatt
zu SWR2: "Die Faszination am Außenseiter" (Download nicht mehr verfügbar; aber Manuskript zu Sendung abrufbar
140204_Das Menschenbild der Aufklärung_E
Microsoft Word Dokument 34.5 KB
Download
Immanuel Kant: Was ist Aufklärung. Arbeitsblatt
Lies den Text "Was ist Aufklärung?" von I. Kant und versuche auf dieser Grundlage das Menschenbild der Aufklärung zu skizzieren.
tk3_anthropologie_aufklärung_kant.docx
Microsoft Word Dokument 28.7 KB