Wenn Angst zur Krankheit wird ...

Was unterscheidet "normale" von krankheitswertiger Angst (einer Angststörung)

Angst ist normal. Angst kann aber unter bestimmten Bedingungen auch zu einer Krankheit werden. Und Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Doch wann wird aus einer normalen Angst (z. B. vor Prüfungen, vor Hunden, …) eine krankheitswertige Störung?

 

Der Übergang von "normaler" Angst zu "pathologischer" Angst ist fließend. Eine klare und scharfe Grenze kann also in den meisten Fällen nicht gezogen werden. Es gibt allerdings Parameter, die man betrachten muss, wenn geklärt werden soll, ob eine Angst noch normal ist oder ob sie schon krankhaften Charakter angenommen hat.

 

Wichtige Faktoren in diesem Zusammenhang:

 

  • krankhafte Angst ist intensiver (und damit oft nicht mehr kontrollier- und steuerbar)
  •  harmlose und objektiv mehr oder weniger ungefährliche Auslöser (Spinne, Lift, Flugzeug, ...) lösen starke Angstreaktionen aus
  • Es gibt eine Tendenz der Ausweitung (Generalisierung)
  •  krankhafte Angst hat die Tendenz, das Erleben insgesamt zu beherrschen (Angst vor der Angst)
  •  Durch krankhafte Angst ist die Bewältigung des Alltags oft nur noch eingeschränkt möglich oder oft gar nicht mehr möglich (Vermeidungsverhalten, Angst vor der Angst)

Welche Angsterkrankungen gibt es?

Krankhafte Ängste können sehr unterschiedliche Erscheinungformen annehmen und in sehr unterschiedlichen "Kleidern" daherkommen. Meistens werden sie in drei große Gruppen zusammengefasst:

 

Generalisierte Angststörung

 

Darunter versteht man eine allgemeine Überängstlichkeit, mit der betroffene Personen vielen Situationen begegnen. Für die Ängstlichkeit gibt es meistens keinen erkennbaren Auslöser. Die ständig präsenten Angstgefühle stehen oft in Verbindung mit Konzentrationsschwierigkeiten, Einschlafstörungen, einer Tendenz alles zu hinterfragen, zwanghaftem Grübeln ...

 

Man glaubt heute, dass betroffene Menschen wahrscheinlich eine genetische Disposition in Richtung Ängstlichkeit haben. Aber auch Lernerfahrungen und überängstliche Bezugspersonen in der Kindheit, die zu überbehütendem Verhalten tendiert haben (Overprotection), könnten eine Rolle spielen.

 

Was auch auffällt, ist, dass überängstliche Menschen sehr stark dazu tendieren, in vielen Situationen weniger die Chancen und viel stärker und intensiver die  Gefahren, Risiken und möglichen Probleme im Blickfeld zu haben (=negative Attributionstendenz). Eine Prüfungssituation attribuieren sie nicht als Chance, etwas zu erreichen, sondern als Bedrohung und als Gefahr, durchzufallen, sich zu blamieren, ein Blackout zu haben ... Wenn sie eine Prüfungssituation wider Erwarten gut meistern, schreiben sie das dem Glück oder dem Zufall zu. Wenn es ein Problem gibt, sehen sie sich in ihren negativen Vorerwartungen bestätigt.

 

Phobien

 

Phobien sind Ängste, die an bestimmte Auslöser gebunden sind. Man unterscheidet eher einfache und spezifische Phobien - zum Beispiel Tierphobien - und komplexere soziale Phobien, die oft auch mit sehr viel mehr Einschränkungen verbunden sind.

 

Häufige Tierphobien sind sind Spinnenphobien (Arachnophobie), Hundephobien, Schlangenphobien.

 

Häufige Phobien, die an bestimmte räumliche Gegebenheiten gebunden sind, sind Angst in engen geschlossenen Räumen wie Liften (Klaustrophobie), Angst vor großen Höhen oder die Angst vor offenen, weiten Plätzen (Agoraphobie) oder Flugangst. Auch die sprichwörtliche Angst vor dem Zahnarzt oder die Angst vor Blut gehört in diese Kategorie.

 

Zu den häufigen sozialen Phobien zählen Prüfungsangst oder die Angst vor anderen Menschen zu sprechen.

 

Panikattacken

 

Panikattacken sind plötzlich und aus heiterem Himmel auftretende Angstanfälle ohne erkennbare Ursache; die Angstanfälle sind von schweren körperlichen Symptomen wie Hyperventilation, Atemnot, Schweißausbrüche, Übelkeit, Magenkrämpfen, .... begleitet. Panikattacken lösen einen starken Fluchtimpuls aus, der aber gleichzeitig von einer Unmöglichkeit aus der Situation zu entkommen (Bewegungsunfähigkeit, Starre, Eingesperrt-Sein) begleitet ist. In der Folge entsteht typischerweise eine diffuse, aber umso stärkere Angst vor dem nächsten Panikanfall, von dem ungewiss ist, wann und wo er eintritt. Es entsteht eine "Angst vor der Angst", die zu Vermeidungsverhalten und zu sozialer Einschränkung führt. Weil Betroffene nicht wissen, wann und wo sie der nächste Panikanfall ereilen wird, vermeiden sie Situationen, in denen sie solchen Anfällen hilflos ausgeliefert wären. Das sind aber potentiell alle Situationen, in denen ein Mensch vielen Reizen ausgesetzt ist und in denen man im Notfall nicht schnell entkommt, also beispielsweise Einkaufszentren, öffentlichen Verkehrmitteln, belebten Straßen, Plätzen und Räumen, Konzerten, Autofahrten auf der Autobahn, ...

 

Gerade die Häufigkeit und die Unkontrollierbarkeit potentieller Gefahrensituationen erhöht das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Und jeder Panikanfall, der jemanden trotz aller Vorsicht ereilt, verstärkt dieses Gefühl enorm.

 

Betroffene geraten sehr schnell in einen Teufelskreis aus Hilflosigkeit und Angst, die nicht kontrolliert werden kann. Am Schluss fühlen sie sich oft nur noch in ihren eigenen vier Wänden halbwegs sicher. 


Arbeitsaufaben / zur Diskussion

A1: G. hat seit vielen Jahren Angst vor Hunden. Unter welchen Umständen könnte man diese Hundeangst als etwas zwar Unangenehmes, aber Normales bewerten? Unter welchen Bedingungen würdest du von einer "krankheitswertigen" und behandlungsberüftigen Störung sprechen?


A2: H. hat Angst vor Prüfungen und prüfungsähnlichen Situationen (Vorstellungsgesprächen, Fahrschule, Referate, ...) Unter welchen Umständen und Bedingungen könnte man diese Hundeangst als etwas zwar Unangenehmes, aber Normales bewerten? Unter welchen Bedingungen würdest du von einer "krankheitswertigen" und behandlungsberüftigen Störung sprechen?


A3: Welche Auswirkungen auf den Lebensalltag hat es häufig, wenn ein Mensch unter einer Angststörung leidet?


Quellen, Internetlinks