Gerecht(fertigt)er Krieg?

Eckpunkte und Ausgangspunkte 

Kriegerische Auseinandersetzungen und Kriege begleiten "die Menschheit" durch ihre Geschichte. Das wird uns nicht erst dann klar, wenn wir einmal darüber nachdenken, mit wievielen Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen wir im Laufe des Geschichte-Unterrichts (oder im Lateinunterricht oder im Literaturunterricht oder im Philosophie-Unterricht) konfrontiert werden.

 

Die Zahl der (mehr oder weniger erfolgreich kämpfenden) Könige, Kaiser, Generäle und Feldherrn ist unüberschaubar. Die Zahl der nationalen Mythen oder Traumata, die auf irgendwelche Schlachten oder Kriege zurückzuführen sind (von der Schlacht gegen die Perser oder die Punischen Kriegen über die Gallischen Krieger (samt der Schlacht im Teutoburger Wald) oder diverse Erbfolgekriege (z. B. der Habsburger) oder Unabhängigkeitskriege (z. B. der Amerikaner) oder die Napoleonischen Kriege bis zum Ersten Weltkrieg (samt den Schlachten bei Verdun oder in den Dolomiten) und zum Zweiten Weltkrieg (samt der Schlacht von Stalingrad) ebenfalls. 

 

Dass Krieg als Mittel, politische Ziele durchzusetzen, in Frage gestellt wird, ist demgegenüber ein historisch "junges" Phänomen. Erste größere pazifistische Bewegungen finden sich erst im 19. Jahrhundert Und auch erst um diese Zeit entstehen erste nachhaltige Bemühungen, den Krieg völkerrechtlich "zu zähmen". 

 

Das Denken über den Krieg ändert sich (vor allem im deutschen Sprachraum, also in Österreich und/oder Deutschland) dann aber vor allem durch den Ersten Weltkrieg und (noch viel stärker) durch den Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 ist Konsens: Krieg ist nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (wie der Preußische General Clausewitz  Anfang des 19. Jahrhunderts meint). Krieg ist grundsätzlich ein Übel. Ziel der Politik muss es sein, Kriege zu vermeiden. 

 

Gründe dafür sind zum Beispiel: 

  • zwei verlorene Weltkriege 
  • Zerstörung der politischen Ordnung als Folge der Kriege (Habsburger Monarchie; Ostpreußen nach WK1; Teilung Deutschlands; Eiserner Vorhang nach WKII)
  • massive wirtschaftliche Krisen und Massenelend als "Begleiter" der Kriege treffen die Zivilbevölkerung
  • viele zivile Opfer vor allem im Zweiten Weltkrieg (Bombardierung von Städten)
  • Medien machen auch den Zivilisten deutlich, was Krieg bedeutet und "tragen den Krieg in die Wohnzimmer"; realistische/negative Bilder vom Krieg; Trümmerliteratur; der Soldat nicht als Held, sondern als traumatisiertes Opfer (Borchert) oder als "Täter"
  • Atomare Bedrohung; Kalter Krieg; Wissen, dass ein dritter atomar geführter Weltkrieg zwischen den Supermächten wahrscheinlich "das Ende der Zivilisation" bedeuten würde; Friedensbewegung; berühmte Persönlichkeiten (z. B. Albert Einstein) bekennen sich zum Pazifismus und verlangen eine atomare Abrüstung


Auf europäischer Ebene und auf globaler Ebene gibt es also eine Reihe von Bemühungen, kriegerische Auseinandersetzungen nach Möglichkeit zu verhindern oder - wenn das nicht möglich ist - zumindest zu begrenzen: 

  • die UNO (gegründet 1948) hat als eines ihrer dezidierten Ziele die Sicherung des Friedens. Vor allem der UN-Weltsicherheitsrat ist das Gremium, das dieses Ziel durchsetzen soll. Auf UN-Ebene gibt es heute eine Serie von völkerrechtlichen Verträgen, die regeln, wann Krieg legitim ist ("gerechtfertigter Krieg") und wie Kriege nicht geführt werden dürfen (z. B. Ächtung von ABC-Waffen; Schutz von Zivilisten). UN-Soldaten werden in Konfliktregionen entsandt, um militärische Auseinandersetzungen zu verhindern oder um die Zivilbevölkerung zu schützen. 
  • der Europarat hat u. a. das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen europäischen Staaten so zu fördern, dass Konflikte friedlich gelöst werden können. 
  • Die Europäische Union (EU; früher EG) ist u. a. auch als Friedensprojekt angedacht gewesen. Die "Erbfeinde" Frankreich und Deutschland, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zweimal kriegerisch bekämpft haben, sollten wirtschaftlich in der Kohle-und-Stahl-Union so stark verflochten werden, dass ein neuer Krieg unwahrscheinlich würde. Zumindest wird kolportiert, dass das eine Vision war, der sowohl Adenauer (D) als auch de Gaulle (F) anhingen. 


Auf der anderen Seite ist Europa nach 1945 von starker militärischer Aufrüstung geprägt. Bis 1989 stehen sich zwei Militärblöcke, hinter denen zwei grundlegend unterschiedliche gesellschaftliche Modelle stehen, gegenüber: die NATO (Nordatlantischer Verteidigungspakt) auf der einen Seite. Und die Warschauer-Pakt-Staaten (Osteuropäische kommunistische Staaten) auf der anderen Seite. Beide Seiten sind atomar bewaffnet. Die Grenze geht mitten durch Deutschland. Zwischen den beiden Blöcken sind ein paar neutrale oder blockfreie Staaten (Österreich, Jugoslawien, Schweiz, Finnland, Schweden), die im Falle eines atomaren Schlagabtausches wahrscheinlich auch massiv betroffen gewesen wären. 1989 entspannt sich die Situation durch Glasnost und das Ende des Kommunismus. Dafür entwickeln sich neue regionale Konflikte und Krisenregionen, die teilweise in Kriege münden (ehemalige UdSSR, z. B. Tschetschenien, Georgien 1912, Ukraine 1914; ehemaliges Jugoslawien: Bosnien-Krieg, Kosovo-Krieg).

 

Weltweit gibt es seit 1945 zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen und Kriege. Dabei zeigen die Daten, dass zwischenstaatliche Kriege heute eher selten sind. Demgegenüber haben innerstaatliche Konflikte (Bürgerkriege u.ä.) massiv zugenommen. Fast 90 Prozent aller Kriege haben in Afrika, in Teilen Asiens, im Vorderen und Mittleren Orient und in Südamerika stattgefunden. In den europäischen Industriestaaten hat es nach 1945 keine Kriege gegeben. (Allerdings sind F und GB. immer wieder Akteure in kriegerische Auseinandersetzungen. 

Was ist Krieg?

Jeder von uns hat bestimmte Vorstellungen von dem, was ein Krieg ist und was Krieg bedeutet. Diese wird in etwa so lauten: "Mindestens zwei Parteien sind in einen Konflikt verwickelt. Beide Parteien, versuchen ihre Ziele durchzusetzen, indem sie bewaffnete Soldaten einsetzen." Die Probleme beginnen, wenn wir uns in den Grenzbereichen bewegen. Und solche gibt es viele. Es kann auch sein, dass Definitionen obsolet werden, weil Strategien und Formen der Gewalt und der Kriegsführung sich ändern können. So passen zum Beispiel viele Definitionen des klassischen Völkerrechts nicht auf die Auseinandersetzung mit dem modernen islamistischen Terror, wie Al Kaida ihn praktiziert, oder auf die modernen Bürger(?)kriege, wie wir sie derzeit (2014) im Nahen Osten erleben.  


Eine häufig verwendete Definition stammt von der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg. Sie sieht Krieg als einen Konflikt, der folgende Merkmale aufweist:


1. Der Konflikt wird mit Waffen ausgetragen. An den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete

Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (…) einer Regierung

handelt.

2. Auf beiden Seiten gibt es eine hierarchische Organisation mit Befehlsstrukturen (Befehlshierarchie) und ein Mindestmaß an Organisation.  

3. Beide Seiten operieren strategisch, d. h. es gibt identifizierbare strategische Ziele

4. Konflikte haben eine gewisse Dauerhaftigkeit


Wenn nicht alle diese Kriterien erfüllt sind, spricht man eher von einem bewaffneten Konflikt als von einem Krieg. 

Unterschiedliche Formen des Krieges

Kriege können sehr unterschiedliche strukturelle Formen haben. 

 

Zunächst einmal ist es wichtig, zwischenstaatliche Kriege (zwischen zwei oder mehreren souveränen Staaten) auf der einen Seite und Bürgerkriege (Kriege innerhalb eines Staates; eine Bürgerkriegsarmee und reguläre Armee bekämpfen sich kriegerisch; oder irreguläre Armeen / bewaffnete Verbände bekämpfen einander, z. B. weil es gar keine staatliche Ordnungsmacht mehr gibt) auf der anderen Seite zu unterscheiden.

 

Zwischenstaatliche Kriege sind in der heutigen Zeit die Ausnahme. Ein Beispiel wäre der Irak-Krieg 2003 bis 2010: Die USA erklären gegenüber dem Irak unter Saddam Hussein den Krieg mit der Begründung, der Irak habe Massenvernichtungswaffen und von ihm gehe eine fundamentale Bedrohung der USA durch Terror aus. Für den Krieg gab es keine völkerrechtliche Legitimierung durch den UN-Weltsicherheitsrat. Die USA wird von anderen Nato-Staaten unterstützt (GB, F., ...). Andere Staaten (D) verweigern die militärische Unterstützung. 

 

Dann macht es auch Sinn, unterschiedliche Typologien zu unterscheiden. Zum Beispiel ...

 

1. Antiregime-Kriege: dazu zählt man Kriege, in denen um den Sturz der Regierenden oder um die Veränderung oder den Erhalt des politischen Systems oder gar der Gesellschaftsordnung gekämpft wird.

(Beispiele: Krieg zum Sturz des Gaddhafi-Regimes in Lybien 2012/13; Krieg in Syrien 2013/14)

 

2. Autonomie- und Sezessionskriege: das sind Kriege, in denen um größere  Autonomie oder um staatliche Selbständigkeit gekämpft wird (Beispiele: Bosnien-Krieg 1992 bis 1995; Tschetschenien-Krieg)


3. Dekolonisationskriege: das sind Kriege, in denen um die Befreiung von einer Kolonialmacht gekämpft wird. Ein typisches Beispiel wäre der Algerien-Krieg (1954 bis 1962), in der algerische Militär-Verbände die Unabhängigkeit von Frankreich erkämpfen wollen (und schlussendlich auch erreichen). 


4. Guerillia-Kriege: darunter versteht man Kriege, bei der irreguläre Kampfverbände gegen die Regierungsarmee kämpfen. Weil Guerillia-Kämpfer meist militärisch unterlegen sind, wenden sie eigene Kampfstrategien (z. B. Geiselnahmen, Häuserkampf, ...) an. Ein Beispiel für einen Guerilla-Krieg wäre der Kampf, den Fidel Castro in den 50er-Jahren gegen die Batista-Armee auf Kuba führt. Er endet 1959 mit der Entmachtung des Batista-Regimes und der Machtübernahme Castros. 

 

5. Ressourcen-Kriege: darunter versteht man Kriege, in denen paramilitärische Gruppen, s.g. Warlards oder Regellen um die Kontrolle über rohstoffreiche Gebiete kämpfen. Beispielsweise geht es im Bürgerkrieg in der sudanesischen Provinz Dafur (seit 2003) u.a. um Zugang zu Wasser und zu Rohstoffen. 

 

6. "Terror-Kriege": darunter versteht man Kriege, die vor allem seit dem 11. September 2001 immer häufiger vorkommen und die vor allem das "Markenzeichen" von Al Kaida (die inzwischen einige Nachfolger gefunden hat) ist. Ursprünglich gilt Terror nicht als Kriegshandlung , sondern als politisches Verbrechen (oder bewaffneter politischer Kampf; je nach Sichtweise und Perspektive).  Die Terroranschläge von 9/11 sind hier jedoch eine Zäsur. Das hat vor allem damit zu tun, dass Al-Kaida in Teilen quasi militärisch organisiert ist und Anschläge generalstabsmäßig plant, teilweise mit militärischen Organisationen (Afghanistan, ...) kooperiert, teilweise politische Ziele verfolgt (Kampf gegen die USA / den Westen), teilweise im Hinblick auf die Opfer die Dimensionen des klassischen Terrors sprengt. 

 

Ganz grundsätzlich kann und muss man feststellen, dass viele moderne Kriege anders als klassische Kriege funktionieren. Das ist auch deshalb (ethisch, völkerrechtlich) ein Problem, weil völkerrechtliche Bestimmungen so "oft ins Leere gehen". 



Ursachen ...

 

Kriege und Konflikte haben viele Ursachen; meistens treffen mehrere der folgenden Ursachen aufeinander:

 

  • politische, ethnische und religiöse Spannungen (Naher Osten, Nordirland, ...); ungelöste politische Konflikte
  • wirtschaftliche Interessen wie Rohstoffsicherung oder Welthandel (Irak-Krieg 1, ...)
  • historisch begründete politische Konflikte (Naher Osten, ehemalige Kolonialstaaten in Afrika, Jugoslawien)
  • ideologische Konflikte (Korea-Krieg, Vietnam-Krieg, ...)
  • soziale Gegensätze, Armut, ... (Nicaragua, ...)
  • unterschiedlicher Verlauf der historischen, naturräumlichen, kulturellen oder politischen Grenzen zwischen den Regionen (Kurden-Kriege, Kriege im ehemaligen Jugoslawien, ...)
  • Unterdrückung, Menschenrechtsverletzungen (Jugoslawien-Kriege, Afghanistan-Krieg, ...)
  • Ost-West-Konflikt (Korea-Krieg, Vietnam-Krieg, ....)

Folgen ...

Kriege haben teilweise katastrophale Auswirkungen auf die Infrastruktur und auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Damit verschlechtern sie massiv die Lebensperspektiven von Menschen, die in von Krieg betroffenen Regionen oder Staaten leben. Teilweise führt Krieg sogar zu Hungerkatastophen (Somalia, Ruanda, Sierra Leone, Sudan)


Kriege verursachen teilweise massive Umweltschäden und zerstören (z. B. wegen Vermienung) die Lebensgrundlage von Menschen und die Zukunftschancen für lange Zeit. 


Viele Menschen sind - entweder weil sie als Soldaten gekämpft haben oder weil sie als Zivilisten vom Krieg betroffen sind - körperliche Verletzungen davongetragen oder psychische Traumatisierungen erfahren, die sie auch in ihrem weiteren Leben belasten. 


Kriege vergrößern soziale oder ethische Spannungen und reißen tiefe Gräben zwischen Bevölkerungsgruppen bzw. Menschen, die auf unterschiedlichen Seiten in kriegerische Handlungen involviert sind / waren. 


Über die Zahl der Opfer gibt es keine zuverlässigen Daten. Klar ist aber dass die Hauptopfer der Kriege immer stärker aus der Zivilbevölkerung stammen:


  • Erster Weltkrieg (1914 bis bis 1918): 10 bis 15 Prozent zivile Opfer
  • Zweiter Weltkrieg (1939 bis 1945): 50 bis 60 Prozent zivile Opfer
  • Kriege seit 1945: bis zu 80 Prozent der Opfer sind Zivilisten. Kriege forderten je nach Schätzungen bis zu 40 Millionen Tote und bis zu 80 Millionen Verwundete und Kriegsversehrte. Zahlreiche Kinder sind von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen. Schätzungen (UNHCR) gehen von bis zu 15 Millionen in Kriegen getöteten Kindern seit 1945 auf. Millionen von Menschen müssen wegen Kriegen in ihrer Heimat fliehen. Sie verlieren so ihre Existenzgrundlage. Teilweise sterben sie auf der Flucht. Teilweise leben sie viele Jahre lang in provisorischen Zeltstädten und Notunterkünften. 

Arbeitsaufgaben

Download
A1: Zitate über Krieg und Frieden
A: Überlege, ob du den folgenden Aussagen zustimmst oder nicht.
B: Suche zwei Aussagen aus, denen du entweder voll zustimmst oder denen du überhaupt nicht zustimmst. Schreibe einen erläuternden Kommentar. Begründe deine Haltung. Führe Beispiele an, die deine Haltung untermauern / unterstützen.
Zitate_Krieg_Frieden.pdf
Adobe Acrobat Dokument 137.9 KB

A2: Gestalte ein Mind-Map mit den Kerninformationen zum Thema "Gerechtfertigter Krieg": Definition, häufige Formen, Ursachen, Folgen, Institutionen, Themen


A3: Welche militärischen Konflikte und Kriege sind derzeit aktuell? Worum geht es in diesen Konflikten? Wer sind die Kriegsparteien? Um welche Form von Krieg handelt es sich? Was weißt du über die Ursachen und Hintergründe dieses Krieges? Mache eine Übersichts-Liste. Beschreibe zwei oder drei Konflikte stichwortartig näher. Suche einige Medienberichte über diesen Konflikt. 


A4: Bist du der Meinung, dass es einen gerechtfertigten Krieg geben kann? Wenn ja: Wann befindet sich eine der Kriegsparteien in einem gerechtfertigten Krieg? Was wären historische oder aktuelle Beispiele? Wenn nein: Warum nicht? 

(Fertigt eine Tabelle mit zwei Spalten an, in denen ihr die Pro- und die Kontra-Thesen auflistet)

Internetlinks und Quellen

  • Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung, Universität Hamburg
  • UNHCR (Teilorganisation der UNO, die sich vor allem um Zivilisten im Krieg und um Flüchtlinge kümmert; Flüchtlingshilfswerk); Link zur österreichischen UNHCR-Seite; alle genannten Daten sind von UNHCR
  • Rotes Kreuz; humanitäres Völkerrecht
  • Webseite zusammengestellt mit Unterlagen von "polis" ("Krieg und bewaffnete Konflikte. Ohne Frauen kein Frieden?"polis.lernen in der Schule. Sondernummer 8/2010; download als pdf)