Methoden der Psychologie: Schlaf und Traumforschung

Warum schlafen wir? (W)

Rund ein Drittel unseres Lebens verbringen wir mit Schlafen. Während unseres Lebens verändert sich unser Schlafverhalten. Ein Baby schläft bis zu 16 Stunden am Tag, wobei sich der Schlaf auf zirka fünf bis sechs Schlafphasen von zwei bis drei Stunden verteilt. Im Laufe des Lebens werden die Schlafphasen länger und die Schlafdauer geht insgesamt zurück.

 

Erwachsene brauchen normalerweise zwischen sechs (Kurzschläfer) und zehn Stunden (Langschläfer) Schlaf pro Tag, damit sie sich erholt fühlen. Wie viel Schlaf ein individueller Mensch braucht, ist wahrscheinlich angeboren. Es gibt aber vereinzelt auch Menschen, die mit noch weniger Schlaf auskommen. (Napoleon wird beispielsweise nachgesagt, er sei stolz darauf gewesen, mit nur vier Stunden Schlaf pro Tag auszukommen). Ob wir den benötigten Schlaf "auf einmal" konsumieren, oder ob wir während eines 24-Stunden-Tages neben dem Nachtschlaf eine oder mehrere kürzere Schlafphasen einlegen, hängt u. a. auch von der Kultur, in der wir leben, ab.

Während des Schlafens durchlaufen wir unterschiedliche Schlafphasen, die durch unterschiedliche EEG-Muster gekennzeichnet sind. Über deren genaue Bedeutung wissen wir erst teilweise Bescheid.  Am genauesten erforscht worden sind die so genannte Tiefschlafphase und der so genannte REM-Schlaf (REM = rapid eye movement), das ist die Schlafphase, in der der Großteil unserer Träume stattfindet.

 

Gerade in der modernen Gesellschaft leiden viele Menschen manchmal oder dauerhaft an Schlafstörungen, die unterschiedliche Ursachen haben können. Manche Schlafstörungen sind biologisch bedingt. Andere Schlafstörungen werden durch äußere Stressoren (z. B. Lärm, schlechte Schlafumgebung) oder durch innere Stressoren (Stress, nicht abschalten können). Inzwischen gibt es eigene Bereiche in der Psychologie und in der Medizin, die sich auf die Erforschung von Schlafstörungen und deren Therapie konzentriert haben. Wenn Schlafstörungen mit einfacheren Mitteln (z. B. der Änderung des Lebensstils) nicht behandelt werden können, kann man ihren Ursachen in so genannten Schlaflabors auf den Grund gehen. 

Einige Forschungsergebnisse (W)

Im Schlaflabor
Im Schlaflabor

Die Erforschung des Schlafs ...


Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man meinen, der Schlaf sei ein rein passiver Zustand, zumal wir während unseres Schlafes ja nicht wirklich aktiv sind. Manche "kluge Köpfe" in der Vergangenheit haben den Schlaf tatsächlich mit einem todähnlichen Zustand gleichgesetzt. Diese Annahme ist aber auf jeden Fall falsch. Während wir schlafen, laufen in unserem Körper - und nicht zuletzt in unserem Gehirn - eine Vielzahl von Prozessen ab, die für unser psychisches und körperliches Gleichgewicht höchst wichtig sind.

 

Zunächst einmal können wir von außen beobachten, dass Menschen sich manchmal etwas "eigenartig" verhalten, wenn sie schlafen: Manchmal sprechen wir im Schlaf, manchmal bewegen wir uns recht heftig, manchmal liegen wir aber auch ganz reglos und ohne Muskelaktivität da, nur die Augäpfel bewegen sich auf sehr schnelle Weise. Manche Menschen schlafwandeln, andere knirschen mit den Zähnen oder schnarchen vor sich hin.

 

Was wir im Schlaf erleben, können wir aber unmittelbar nicht beobachten, weil wir während des Schlafens keinen Zugang zu unserem Bewusstsein haben. Vielleicht hat gerade die ForscherInnen auf das, was im Schlaf passiert, neugierig gemacht. Seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, als die ersten Schlaflabors eingerichtet wurden, versucht man, mithilfe wissenschaftlichen Methoden den Geheimnissen des Schlafs auf den Grund zu gehen.

 

Die Schlafphasen (W)

Die Schlafphasen im Überblick
Die Schlafphasen im Überblick

Das EEG 

Mithilfe des EEGs (=Elektro-Encephalo-Gramm = Gehirnstrommesser) ist es leicht, festzustellen, dass wir während des Schlafs unterschiedliche Schlafphasen durchlaufen, weil diese durch unterschiedliche EEG-Muster sichtbar werden. Pro Nacht durchlaufen wir so ungefähr fünf bis sieben Schlafzyklen, in denen normalerweise jeweils eine Traumschlafphase (REM-Phase) auf eine Tiefschlafphase folgt. Die REM-Phasen sind in der ersten Nachthälfte meistens eher kurz (einige Minuten), verlängern sich aber gegen den Morgen hin. (Traumwandeln findet übrigens nicht während der Traumphasen statt, sondern während der Tiefschlafphasen)

 

Im Wesentlichen können wir zwischen vier Schlafphasen unterscheiden, Wenn wir einschlafen, gelangen wir zunäst einmal über die anderen Stufen bis in die Tiefschlafphase (Phase IV), die dann in eine REM-Phase übergeht.

 

Welche Funktion diese Schlafphasen haben, hat man in den Schlaflabors zu erforschen versucht.

 

Schlafforschung - Durchführung

Im Unterschied zur Alltagspsychologie darf eine wissenschaftliche Psychologie nicht einfach persönliche Erfahrungen als Grundlage für ihre Theorien nehmen. Sie muss versuchen, ihre Hypothesen (= Annahmen) systematisch zu erforschen. Gerade wenn es um das Erleben geht, ist dies aber nicht so einfach.

 

Die meisten psychologischen Untersuchungen werden in Schlaflabors unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. ProbandInnen werden in unterschiedliche Gruppen - Untersuchungsgruppen und Kontrollgruppen - aufgeteilt. Dann wird ihr Schlaf auf systematische Weise variiert. Beispielsweise wird ein Teil von ihnen immer kurz vor einer REM-Schlaf-Phase oder vor einer Tiefschlafphase geweckt, sodass sie zwar in Summe gleich viel Schlaf wie die Mitglieder der Kontrollgruppe haben, aber kaum REM-Schlaf oder Tiefschlafphasen erleben. So können aus dem unterschiedlichen Verhalten, das die Mitglieder der jeweiligen Gruppen zeigen, Rückschlüsse auf die Bedeutung dieser Schlafphasen gezogen werden.

 

Ein paar Erkenntnisse:

 

Der REM-Schlaf (REM = Rapid Eye Movement)

So konnte zum Beispiel festgestellt werden, dass die REM-Phasen - also die Schlafphasen, in denen wir vor allem träumen - den Wach-Phasen in ihrem EEG-Muster sehr stark ähneln. Während unseres REM-Schlafs ist die Muskulatur vollkommen entspannt. Das scheint ein Widerspruch zur großen Aktivität des Gehirns während dieser Phase zu sein. (Manche Forscher gehen davon aus, dass dieses Phänomen, das man auch als paradoxen Schlaf bezeichnet, ein angeborener Schutzmechanismus ist: Die Muskelentspannung verhindert, dass wir das, was wir in unseren Träumen erleben, auch in die Tat umsetzen und beispielsweise in Panik aus dem Haus flüchten, weil  wir uns von jemandem verfolgt fühlen). Interessanterweise bewegen sich unsere Augenmuskeln genau während dieser Phase in einem sehr schnellen Tempo, was zum Begriff REM-Phase geführt hat. Diese Augenbewegungen kann man von außen beobachten. Solche Augebewegungen findet man auch bei höher entwickelten Säugetieren (z. B. Katzen oder Hunden), weshalb man vermutet, dass auch diese Tiere während ihres Schlafes träumen. (Wirklich beweisen kann man das freilich nicht wirklich). Der REM-Schlaf ist für unser psychisches Gleichgewicht enorm wichtig, obwohl er nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des Schlafes ausmacht. ProbandInnen, die kaum REM-Schlaf-Phasen haben, reagieren nach einiger Zeit mit Konzentrationsstörungen, schweren Stimmungsschwankungen u.ä.m. Teilweise treten sogar pychotische Symptome (Halluzinationen, ...) auf.

 

Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass viele Menschen träumen, auch wenn sie sich nicht an ihre Träume erinnern können. Wir erinnern uns an einen Traum nämlich nur dann, wenn wir aufwachen, bevor wir erneut in eine Tiefschlafphase gelangen. Das ist üblicherweise nur dann der Fall, wenn wir mitten in der Nacht aufwachen oder wenn wir am Morgen aus einer REM-Phase (und nicht aus einer Tiefschlafphase) aufwachen.

 

Gezeigt werden konnte auch, dass man Trauminhalte bis zu einem gewissen Grad steuern und beeinflussen kann. Wenn ProbandInnen kurz vor dem Einschlafen Geschichten mit bestimmten Reizwörtern / Schlüsselinhalten hören oder entsprechende Filme sehen, tauchen ähnliche Inhalte überdurchschnittlich häufig in ihren Träumen auf. Auch konnte gezeigt werden, dass TräumerInnen selbst beeinflussen können, ob sie sich an ihre Träume erinnern und wovon sie träumen wollen. Das ist - zumindest bis zu einem gewissen Grad - möglich, wenn sie sich kurz vor dem Einschlafen entsprechende Vorstellungen machen. Praktisch bedeutsam ist das zum Beispiel für Menschen, die an Albträumen leiden. Sie können so lernen, ihren Angst auslösenden Träumen eine weniger dramatische oder brutale Richtung zu geben oder sich selbst im Traum anders zu verhalten (also beispielsweise zu fliehen, anstatt angsterstarrt das Unheil auf sich zukommen zu lassen).

 

Die Tiefschlafphase

 

Die Tiefschlafphase scheint vor allem für unsere Gedächtnisleistungen und unser Erinnerungsvermögen, aber auch für die körperliche Regeneration während des Schlafens wichtig zu sein. Wenn man ProbandInnen die Tiefschlaf-Phasen entzieht, können sie sich Lerninhalte vom Vortag wesentlich schlechter merken als Personen in der Vergleichsgruppe und sie sind wesentlich schlechter in der Lage, sich neue Lerninhalte zu merken. Das hängt damit zusammen, dass unser Gehirn "lernt", also Informationen verarbeitet und abspeichert, während wir schlafen. Wenn der Tiefschlaf fehlt, ist dieser Prozess offensichtlich gestört. Auch für die körperliche Regeneration scheint vor allem die Tiefschlafphase wichtig zu sein.

 

Schlafmittel

 

In anderen Forschungsprojekten konnte gezeigt werden, dass vor allem chemische Schlafmittel (Benzodiazepine, Barbiturate) nicht nur ein hohes Suchtpotential haben, sondern - wenn sie über einen längeren Zeitraum eingenommen werden - vor allem die REM-Schlaf-Phasen und die Tiefschlafphasen negativ beeinflussen. Das führt dazu, dass Menschen, die solche Schlafmittel regelmäßig nehmen, nicht mehr ausgeschlafen sind, obwohl sie von der Zeit her genügend Schlaf gehabt haben müssen. Manche von ihnen greifen dann am Morgen zu "Aufputschmitteln", um überhaupt wach zu werden, und geraten so leicht in einen Teufelskreis aus unterschiedlichen Abhängigkeiten.

 

Genau aus diesem Grund empfehlen Mediziner heute eher biologische Schlaf- und Beruhigungsmittel (z. B. Johanniskraut oder Baldrian, die aber auch nicht immer ganz "harmlos" sind) oder "Hausmittel" (wie z. B. ein Glas warme Milch vor dem Schlafengehen) und vor allem Schlafhygiene, also eine "schlaffreundliche" Gestaltung des Lebensalltags und der Schlafumgebung.

 

 

Und was bedeuten Träume?

Ein Bild des spanischen Surrealisten S. Dali
Ein Bild des spanischen Surrealisten S. Dali

Faszination Traum

 

Träume haben Menschen schon immer fasziniert. Wahrscheinlich ist ein Grund dafür, dass sie uns gleichzeitig irgendwie vertraut, aber auch fremdartig erscheinen.

 

In der Mythologie ist man vielfach davon ausgegangen, das uns Träume eine "tiefere Wahrheit" offenbaren. Man glaubt auch, dass durch Träume Götter zu den Menschen sprechen oder dass sich in Träumen die Zukunft offenbart. Ein Beispiel ist Kriemhilds Falken-Traum ganz am Anfang des Nibelungenlieds. Aber auch in der Bibel finden sich viele Textstellen, in denen es um Träume geht. Josef deutet beispielsweise dem Pharao in Ägypten den Traum von den sieben fetten und den sieben mageren Kühen. Der Prophet Daniel deutet dem König Nebukadnezar während es babylonischen Exils mit Gottes Hilfe den Traum von den vier Reichen.

 

Auch Künstler haben das Thema Schlaf und Traum in ihren Werken vielfach bearbeitet. Die Bilder mancher surrealistischen Maler - beispielsweise von Salvador Dalì - wirken überhaupt wie Traumlandschaften oder Traumgebilde.

 

Die psychologische Beschäftigung mit der Bedeutung von Träumen und von Trauminhalten beginnt vor allem mit der Psychoanalyse von Sigmund Freud. Freud arbeitet mit seinen PatientInnen unter anderem so, dass sie in den Therapiesitzungen ihre Träume erzählen und diese Träume dann deutet. Für Freund sind Träume "der Königsweg zum Unbewussten". Außerdem glaubt Freud, dass jeder Traum eine (indirekte) Wunscherfüllung sei, was ihm vor allem, wenn es um Angstträume oder Albträume geht, einigen Interpretationsstress abverlangt. Seine Analysen von Träumen von PatientInnen, aber auch von vielen eigenen Träumen veröffentlicht Freud im Jahr 1900 mit dem Buch "Die Traumdeutung". Es gilt als psychologischer Klassiker. Die Traumtheorie Freuds ist aber inzwischen bei vielen Psychologen umstritten und teilweise revidiert worden.

 

Theorien zur Bedeutung von Träumen

 

Bis heute gibt es unterschiedliche Theorien zur Bedeutung von Träumen, die man in drei große Gruppen zusammenfassen kann:

 

Mistkübeltheorie des Träumens: Manche ForscherInnen gehen davon aus, dass während des REM-Schlafes unterschiedliche Informationen und Tageseindrücke verarbeitet und gespeichert werden. Das heißt, dass das Gehirn demzufolge das nachbearbeitet, was wir während unserer Wachphasen erlebt haben. Dabei trennt es zwischen Inhalten, die auf Dauer im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden sollen, und Inhalten, die wieder ausgesondert werden. Als "Abfallprodukt" dieses Prozesses entstehen durch die Gehirnaktivität dieser Theorie zufolge unsere Traumbilder und Traumeindrücke. Die Inhalte selbst haben aber keine wirkliche Bedeutung.

 

Traum als Hüter des Schlafes: Andere Forscher gehen davon aus, dass wir Störreize während des Schlafens - äußere Störreize wie das Geräusch vorbeifahrender Autos oder das Klingeln des Weckers und innere Störreize wie das Knurren des Magens - in Form von Träumen verarbeiten, sodass wir durch diese Störreize nicht am Schlafen gehindert werden. Menschen, die eine Diät machen und wenig essen, berichten beispielsweise sehr viel häufiger davon, dass sie im Schlaf essen oder etwas kochen als Menschen, die nicht hungrig ins Bett gehen. Dieser Theorie zufolge integriert unser Gehirn diese Hungerempfindungen in den Prozess des Träumens, sodass wir weiterschlafen können.

 

Traum als "Königsweg zum Unbewussten". Vor allem tiefenpsychoglische Theorien gehen davon aus, dass in unseren Träume unbewusste psychische Inhalte sichtbar und teilweise auch bearbeitet werden. Dabei kann es sich um unbewusste Wünsche, um in der Tiefe der Persönlichkeit liegende Ängste, um frühe Traumatisierungen u.a.m. handeln. Demzufolge können wir etwas über uns selbst lernen, wenn wir den Botschaften unserer Träume mehr Aufmerksamkeit und Beachtung schenken. In therapeutischen Sitzungen werden beispielsweise die Träume von PatientInnen besprochen und interpretiert. Dabei ist allerdings wichtig zu sagen, dass einfache Traumdeutungen - nach dem Motto ein Haus bedeutet X - nicht funktionieren.

 

Arbeitsaufgaben

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Arbeitsaufgaben zum Thema Schlaf und Traum
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Bedeutung von Träumen
Hintergrundinformation zum Thema Traum, Traumdeutung (mit Träumen zum Analysieren)
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"Standard", 27. 9. 2014; Artikel über moderne Traumforschung; Rezension
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Internetlinks zum Thema Schlaf und Traum

  • Planet Wissen. Sendung über Schlaf und Traum
  • Schlaf.de (private Webseite, an der aber offenbar medizinische Experten mitarbeiten)
  • Artikel aus Spiegel.de über Klarträume (lucides Träumen)
  • 3SAT Mediathek: Nano Spezial über Schlaf und Traum