Menschenwürde und Folterverbot

Das absolute Folterverbot ist ein konkretes Beispiel für ein Menschenrecht, das sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ableiten lässt.

 

 

 

Definition Folter

 

Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck „Folter“ jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tag zu bestrafen oder um sie auf einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfaßt nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.

(UN-Anti-Folter-Konvention[1]; Teil 1, Artikel 1, Absatz 1)

 

 

Geschichte der Folter /

 

Historisch betrachtet ist Folter keine Form der Bestrafung, sondern ein Instrument der „Beweisfindung“. Das heißt, Folter dient in den Rechtsordnungen bis ins 19. Jahrhundert hinein dazu, Menschen, denen irgendein Vergehen (z. B. Hexerei) vorgeworfen wird, zum Sprechen zu bringen.

 

Wie Folter funktioniert und unter welchen Bedingungen sie in welcher Form angewendet werden darf, ist in vielen „Staaten“ in irgendwelchen „peinlichen“ Rechtsordnungen genau geregelt. Die erste Stufe ist meistens die Androhung der Folter, also das Zeigen der Instrumente. Die Anwendung der Folter zielt auf das Zufügen körperlicher Schmerzen ab, dabei ist die körperliche Verletzung oder gar der Tod nicht die primäre Absicht, aber dies wird „billigend in Kauf genommen“. Ziel der Folter ist das Geständnis. Folter wird deshalb sofort beendet, wenn die betreffende Person ein Geständnis ablegt.

 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird die Folter in vielen Staaten offiziell abgeschafft. Es gibt sie aber halboffiziell geduldet vielfach weiter. Auch im 20. Jahrhundert ist die Folter in den faschistischen Rechtsdiktaturen (NS, Spanien unter Franco, Portugal unter Salazar, Argentinien während der Militärdiktatur, Chile während der Militärdiktatur, …) und den stalinistischen Linksdiktaturen (UdSSR unter Stalin und Cruschtow, DDR, CSSR, …) bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts vielfach an der Tagesordnung.

                             

Foltermethoden waren und sind zum Beispiel

 

ð  willkürliche Verhaftungen ohne Anklage und ohne Gerichtsverfahren

ð  Verschwinden-Lassen von Menschen

ð  körperliche Gewalt gegen Menschen in Militär- oder Polizeigewahrsam (Abu Ghraib)

ð  psychische Gewalt (Demütigung; Reizentzug = Deprivation; …)

ð  ….

 

 

Grundlagen für ein Folter-Verbot

Die moderne Staatsidee basiert u. a. auf der Idee des Gewaltmonopols des Staates. Diese Idee besagt, dass der einzelne Mensch auf die Ausübung von Gewalt (z. B. als „Strafe“) verzichtet und dieses Recht auf den Staat überträgt. Er darf und muss die staatliche Ordnung nach außen und nach innen durchsetzen. Und er wird dafür mit einem Gewaltmonopol (Militär, Polizei, …) ausgestattet.

 

Das bedeutet, dass der einzelne Mensch, wenn er mit dem Staat in Konflikt gerät, einer Straftat verdächtigt wird oder wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist, auf eine ganz besondere und drastische Weise ausgeliefert ist. Konfrontiert mit einem staatlichen Machtapparat und dessen Repräsentanten ist er absolut hilf- und chancenlos, wenn er in dieser Situation nicht durch klar geregelte Rechte geschützt wird. Ein wesentliches Element in diesem Zusammenhang ist der Schutz vor Folter.

 

Das Prinzip der Menschenwürde ist eine doppelte Grundlage für ein absolutes Folterverbot:

ð  Es garantiert die körperliche und seelische Integrität (Unverletzbarkeit) des Menschen

ð  Es verbietet, einen Menschen ausschließlich als Mittel zum Zweck zu verwenden.

Beide Prinzipien werden durch Folter verletzt.

 

 

Folter heute

 

Heute wird kaum ein Staat offiziell zugeben, dass er foltert. Fast alle Staaten haben die UN-Anti-Folter-Konvention ratifiziert. Alle Staaten im Europarat haben die „Übereinkunft zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ ratifiziert. Im Vergleich zu früheren Jahrhunderten sind Menschen in vielen „zivilisierten“ Staaten vor Folter weitgehend geschützt.

 

Aber es gibt auch Staaten, die nach wie vor mehr oder weniger „offiziell“ foltern. Dazu zählen beispielsweise die Volksrepublik China, islamische Staaten, in denen die Scharia Teil der offiziellen Rechtsordnung ist (Saudi Arabien, Iran, Sudan, Syrien, …) u. a. m.

 

Daneben gibt es Staaten, die Folter mehr oder weniger dulden oder durch „Schlupflöcher“ die von ihnen selbst ratifizierten Anti-Folter-Dokumente zu umgehen. Im Namen der Terrorbekämpfung haben z. B. die USA oder Großbritannien Terrorverdächtige in Drittstaaten überführen lassen, wo sie unter Anwendung von Foltermethoden verhört werden. Guantanamo wurde von der US-Administration unter Busch als „exterritorial“ betrachtet; so wurde argumentiert, die von den USA ratifizierte Anti-Folter-Konvention gelte für Guantanomo nicht.

 

Schlussendlich gibt es Staaten, die ihre Soldaten, ihre Polizisten und ihre Justizbeamten nicht oder schlecht schulen und Foltervorwürfen nicht oder zu wenig nachgehen. In diesem Zusammenhang wurde in den letzten Jahren auch Österreich immer wieder kritisiert, z. B. wenn die Fremdenpolizei bei der „Ausschaffung“ illegale Methoden anwendet (z. B. Fall Omofuma).

 



[1] beschlossen: 1984; in Kraft getreten: 1987

Arbeitsaufgaben zum Film über Folter

VOR dem FILM

a)    In welchem Zusammenhang bist du mit dem Thema Folter bisher konfrontiert gewesen? Welche Fallbeispiele fallen dir ein? In welchen Zusammenhängen taucht das Thema in den Medien auf?

b)    Welche historische Dimension hat das Thema Folter?

c)    Was ist die Anti-Folter-Konvention?

d)    Was bedeutet das absolute Folterverbot? Was könnte die Ursache dafür sein, dass es durch die Anti-Folter-Konvention zu einem der schärfsten Grundprinzipien in der Internationalisierung von MR-Standards geworden ist?

e)    Was sind Ursachen dafür, dass Staatsorgane Staaten das Folterverbot verletzen (oft: obwohl sie die Anti-Folter-Konvention ratifiziert haben)?

 

NACH dem FILM

f)      Welche Formen der Folter werden im Film erwähnt? Was sind besondere Merkmale "moderner Folter" ("weißer Folter")

g)   Im Film berichtet ein Mann, der in Tschetschenien gefoltert worden ist. Welche poliltischen Hintergründe gibt es hier?? Was sind vermutlich Ursachen dafür, dass der Mann zum Folter-Opfer wird? Welche Formen von Folter hat er erlebt? Wie hat die Folter sein weiteres Leben verändert / geprägt?

g)   Im Film wird auch ein Beispiel aus Österreich erwähnt, der Fall Bakary J. Worum geht es in diesem Fall? Welche Form von Folter erlebt Bakary J.? Was sind vermutlich Ursachen dafür, dass Bakary J. zu einem Folter-Opfer wird? Wie hat die Foltererfahrung sein Leben geprägt / beeinflusst?

h)     Welche Folgen / Auswirkungen haben Foltererfahrungen für die betroffenen Personen? Warum? 

i)   Österreich ist kein Folterstaat. Trotzdem kommt es auch hier zu Foltervorwürfen gegen Exekutiv-Beamte. Und es gibt (einige) sehr gut dokumentierte Fälle, in denen Exekutiv-Organe Menschen gefoltert haben. Was kann / muss ein Staat wie Österreich tun, damit er die Vereinbarung, die er mit der Anti-Folter-Konvention unterschrieben hat, möglichst gut und vollständig umsetzt? Wie kann / sollen "der Staat" und die Öffentlichkeit (z. B. Staatsanwaltschaft, Vorgesetzte, Kollegen, Medien, ...)  mit Foltervorwürfen gegen Exekutivbeamte u? Wie hat man im Fall Bakary J. reagiert? 


 


Internetlinks / Quellen