PID in Diskussion. Der Fall Elodie

PID in Diskussion
PID in Diskussion

Der Fall Elodie

Elodie ist ein Kind, das durch PID erzeugt wurde. Der Grund dafür war, dass ihr älterer Bruder Noah an einer Autoimmunerkrankung erkrankt war und nur durch eine Stammzellentransplantation gerettet werden konnte. Da kein Spender in Sicht war, beschlossen die Eltern die Schweiz zu verlassen um in Belgien durch PID eine Schwester, als potenzielle Spenderin zu zeugen. Der Vorgang klappte und auch die lebensgefährliche Operation überlebte die damals einjährige Elodie. Medizinisch gesehen ist diese eine Erfolgsgeschichte, da beide Kinder wohlauf sind, doch ethisch sind solche Behandlungen umstritten.


Da die Menschenrechte besagen, dass kein Mensch (nur) Mittel zum Zweck sein darf, stellt sich die Frage, ob die kleine Elodie dies nicht ist. Die Eltern streiten den Vorwurf ab und argumentieren, dass sie sowieso weitere Kinder wollten und somit nur eines mit dem anderen verbunden wurde. Es ist auch fraglich wie Elodie tatsächlich behandelt wird, ob sie wirklich die ersehnte Tochter ist oder der Spender für Noah.


In der Diskussion um PID im Allgemeinen, geht es darum ob man den ersten Schritt zu Designer Babys machen soll und PID erlauben. Schließlich ist es nichts anderes als ein Selektieren von erwünschten und unerwünschten Leben beziehungsweise von den Ärzten/Eltern für lebenswert oder nicht lebenswert angesehenes Leben, was drastische ethische Konflikte auslöst. Auf der anderen Seite erlaubt die derzeitige Verfassung, ein Kind im 6. Schwangerschaftsmonat aufgrund einer solchen Krankheit oder Behinderung abzutreiben, jedoch ist es verboten eine Stammzelle auf den Defekt zu untersuchen und im Stammzellenstadium zu vernichten. Somit stellt sich die Frage ob es nicht zielführender wäre PID Untersuchungen zu erlauben und somit das Leben von Stammzellen zu riskieren, anstatt Abtreibungen bis kurz vor der Geburt zu erlauben. 

 

Der Fall B. J. 

BJ leidet an einer Autoimmunerkrankung (HyperIGM). Die Eltern wollen über PID ein Kind bekommen, das a) den Gen-Defekt, der zur Krankheit führt, nicht hat und b) dessen Blutbild bestimmte Merkmale hat, sodass das Kind später als Stammzellen-/Knochenmarkspender für BJ geeignet ist. PID bedeutet, dass im Reagenzglas befruchtete Eizellen erzeugt werden. Nachdem die Zellteillung eingesetzt hat, wird im Stammzellenstadium (konkret: 8-Zell-Staduim) dem Embryo eine Zelle entnommen. Diese wird auf genetische Merkmale hin untersucht. Es braucht im Fallbeispiel vier Versuche (und insgesamt 30 befruchtete Eizellen), bis eine befruchtete Eizelle mit den passenden Merkmalen gefunden wird. Die Eizelle mit den erwünschten Merkmalen wird implantiert. Es kommt zur Schwangerschaft. Das Baby, das den kranken Bruder retten soll, wird geboren. 


Motivation der Eltern: Wunsch, eine Therapieverfahren für BJ zu finden und so sein Leben zu retten

Was ist PID?

Bei der PID geht es darum, durch künstliche Befruchtung entstandene befruchtete Eizellen im Stammzellenstadium auf bestimmte genetische Merkmale hin zu untersuchen. Befruchtete Eizellen mit erwünschten genetischen Merkmalen werden in die Gebärmutter implantiert. Befruchtete Eizellen mit unerwünschten genetischen Merkmalen werden nicht implantiert, sondern vernichtet.

 

Üblicherweise wird PID gefordert, weil man damit befruchtete Eizellen mit bestimmten genetischen Defekten (denkbar wäre z. B. Down-Syndrom, Bluterkrankheit, …) kann / könnte.

 

Es gibt auch einige Fälle, in denen es darum gegangen ist, PID anzuwenden, um für ein krankes Kind einen Spender zu erhalten. In GB gibt es den Fall Zaine, in der Schweiz den Fall Elodie, in Australien den Fall BJ.

 

Prinzipiell könnten über PID alle genetisch determinierten Merkmale, z. B. Geschlecht, Haar- oder Augenfarbe, …) bestimmt werden.

 

Manche Staaten (Australien, USA, GB, Dänemark, …) erlauben PID unter bestimmten Umständen. In Österreich ist PID – wie in vielen europäischen Staaten – verboten. Die Gesundheitsministerin hat im Sommer 2005 einen Vorstoß in Richtung Legalisierung in ganz bestimmten definierten Fällen unternommen, ist aber sehr schnell wieder zurückgepfiffen worden. Auch die BRD verbietet PID.

 

Argumente gegen eine Legalisierung sind meist prinzipieller Natur (Schwellenargument).

 

Argumente für eine Legalisierung bauen meist auf einer langfristig unhaltbaren momentanen Gesetzeslage auf, die sich daraus ergibt, das PND (= pränatale Diagnostik) erlaubt, PID aber verboten ist: Bei einer künstlichen Befruchtung ist eine Diagnose nicht erlaubt. Wenn es zu einer Schwangerschaft kommt und in der 12. – 14. Schwangerschaftswoche eine genetische Erkrankung festgestellt würde, könnte legal ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden. Es wäre aber verboten, vor der Implantation nach bestimmten genetischen Merkmalen zu selektieren.

 

 

Medizinische Anwendung der PID versus nicht-medizinische Anwendungen von PID


medizinische Anwendung von PID:

  • Aussonderung von Embryonen mit genetischen Defekten, die zu genetische bedingten Krankheiten führen (z. B. Chorea Huntington, Muskeldystrophie Duchenne); häufigster Anwendungsbereich in den Staaten, in denen PID erlaubt ist

  • gezielte Auswahl von Embryonen mit erwünschten Merkmalen (z. B. Merkmalen, die Stammzellen-Spende möglich machen); in der Praxis sehr selten

Nicht-medizinische Anwendung der PID:
  • Geschlechtsbestimmung (häufig wünschen Eltern sich einen Jungen)
  • bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (GB: gehörlose Eltern wünschen sich über PID ein gehörloses Kind è inzwischen verboten) 

 

b)      Diskussion um die medizinische Anwendung der PID

(+) Es kann verhindert werden, dass Kinder mit schweren genetischen Erkrankungen geboren werden
(+) Im Vergleich zur Pränataldiagnostik die ethisch weniger problematische Alternative
(+) Im Einzelfall kann über PID ein Spender gefunden und so das Leben eines anderen Menschen gerettet werden
(+) Menschen haben menschliches Leben immer schon selektiert (z. B. Aussetzung / Verhungern-Lassen von unerwünschten Neugeborenen bis in die Neuzeit); diese Selektion ist nichts prinzipiell Neues
(-) Schwellenargument / Argument der schiefen Ebene: Eine Freigabe für medizinische Indikation führt zu einem Dammbruch; es wird dazu führen, dass auch nicht-medizinische Ziele (z. B. Geschlechtsbestimmung) mit PID verfolgt werden
(-) Bewertung von menschlichem Leben in „unerwünscht“ / „nicht-lebenswert“
çè „erwünscht“ / „lebenswert“ è „neue Eugenik“
(-) Beginn einer Entwicklung, an deren Ende das „Kind nach Wunsch“ oder „der Mensch nach Maß“ stehen könnte (Francis Fukyama)
(-) Elitemedizin, die sich nur begüterte Eltern leisten können

 

c)       Diskussion um die nicht-medizinische Anwendung der PID
(+) Entscheidungsfreiheit der Eltern, der Staat soll hier nicht „bevormundend“ / „ideologisch“ eingreifen, solange niemand zu Schaden kommt.
(-) Beginn einer Entwicklung, an deren Ende das „Kind nach Maß“ stehen könnte (Argument der schiefen Ebene)
(-) soziale Selektion: reiche Eltern werden über PID attraktive, gesunde, kluge, sportliche, … Kinder zu bekommen versuchen

 

Die ethische Diskussion um PID. Ist PID eine neue Form der Eugenik?

Was ist Eugenik?

"alte Eugenik"

„Eugenik“: Biologistische Politik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, deren ideologische Grundlage der Sozialdarwinismus ist; „Volksgesundheit“ und „Rasse“ / „Rassenhygiene“ als zentrale Begriffe; im Nationalsozialismus wird diese Ideologie „in die Tat umgesetzt“, v. a. durch Zwangssterilisierungen von Menschen  mit geistigen Behinderungen, Epilepsie, …. Dann durch das verfälschenderweise so genannte „Euthansieprogramm“ (Geheimname: T4), in dessen Rahmen über 100 000 Menschen mit geistigen Behinderungen, Epilepsie, … umgebracht wurden. (Das offizielle Euthanasie-Programm wurde nach ca. einem Jahr nach heftigen Protesten der Kirchen eingestellt. Tötungen erfolgten aber in weniger systematischer Form und auf „Eigenverantwortung“ von Ärzten weiter)


neue Eugenik?

Frage, ob PID eine Eugenik in neuem Gewand ist. 

Argumente kontra PID; PID ist eine neue Form der Eugenik

Argumente pro PID;: PID ist keine neue Form der Eugenik

 

Selektion, „neue Eugenik“

Mittels PID werden Embryonen nach erwünschten und unerwünschten Merkmalen selektiert. Das ist eine Bewertung von menschlichem Leben, das in fundamentalem Widerspruch zum Prinzip der Menschenwürde steht.

Als Gesellschaft sollten wir – nicht zuletzt auch, weil wir im NS gesehen haben, wohin die Bewertung von menschlichem Leben nach Nützlichkeitskriterien führt – alle Tendenzen in diese Richtung unterbinden

 

Selektion, aber keine neue Eugenik

Mittels PID werden Embryonen nach erwünschten und unerwünschten Merkmalen selektiert. Aber von einer neuen Eugenik zu sprechen, ist inhaltlich falsch:

Embryonen im 8-Zell-Stadium können nicht mit geborenem menschlichem Leben gleichgesetzt werden

Es ist nicht der Staat, der selektiert. Es sind Eltern, die aufgrund ihrer eigenen ethischen Überzeugungen die beste mögliche Lösung für sich und ihre Familien wünschen

Es geht darum, Leid zu verhindern

Es geht im Extremfall darum, das Leben eines Kindes zu retten (Noah würde sterben, wenn seine Schwester nicht als Stammzellenspenderin zur Verfügung stünde)

Es widerspricht dem Prinzip der Menschenwürde, menschliches Leben zu bewerten. Menschenwürde ist unteilbar und gilt von Anfang an.

Es widerspricht dem Prinzip der Menschenwürde, menschliches Leben zu bewerten. Aber Menschenwürde kommt lebensfähigem / geborenem Leben in vollem Ausmaß zu, nicht einer befruchteten Eizelle.

Es widerspricht dem Prinzip der Menschenwürde, menschliches Leben  zu instrumentalisieren.

Es widerspricht dem Prinzip der Menschenwürde, menschliches Leben zu instrumentalisieren. Aber Elodie ist als Kind willkommen und nicht als Stammzellenspenderin ausschließlich / vor allem Mittel zum Zweck.

Schwellenargument:

PID zu erlauben heißt, dass sie bald zu einer Routineuntersuchungsmethode wird, mit der dann alles Mögliche (Geschlecht, …) bestimmt wird.

Schwellenargument:

Nur weil man ein Instrument auch missbrauchen kann, darf man nicht auch alle hilfreichen und nützlichen Anwendungsformen untersagen.

 

PID zu verbieten und PND, also die genetische und andere medizinische Analysen bei weiter entwickelten Embryonen / Feten zu erlauben und zur Grundlage für einen legalen Schwangerschaftsabbruch zu machen, ist ethisch unhaltbar.

Genau das ist aber derzeit z. B. in Österreich der Fall.

In der Praxis heißt das: Eine befruchtete Eizelle darf nicht untersucht werden. Sie darf aber, nachdem sie eingepflanzt worden ist und die Schwangerschaft eingetreten ist, im dritten, vierten, fünften Schwangerschaftsmonat untersucht werden. Bei einem positiven Befund darf eine Abtreibung durchgeführt werden.

(aus meiner Sicht [M.E.] das zentrale Argument)

 

Quellen; Internetlinks