Was bedeutet Transzendenz?

mittelalterlicher Holzschnitt: der Mensch versucht, die Grenze seiner Welt zu überschreiten und ins "Transzendente" vorzudringen.
mittelalterlicher Holzschnitt: der Mensch versucht, die Grenze seiner Welt zu überschreiten und ins "Transzendente" vorzudringen.

Der Begriff "Transzendenz" (oder das Adjektiv transzendent) leitet sich vom Lateinischen trans-cedere (eine Grenze überschreiten) ab. Mit etwas Transzendentem meinen wir also immer etwas, was jenseits einer bestimmten Grenze - konkret: jenseits der Grenze des vernünftig Erfahrbaren oder des mit unseren Sinnen Erfahrbaren - liegt. Ein anderer, religiöser Begriff für das Transzendente in diesem Sinn ist das Göttliche

 

Praktisch alle Kulturen haben Vorstellungen über die Beschaffenheit dieses Tranzendenten entwickelt. Aber die Vorstellungen über das, was dieses Transzendente ausmachen könnte und was seine Eigenschaften sind, sind sehr unterschiedlich. Die Vorstellung von einer personalen Gottheit, wie sie die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam entwickelt haben, ist hier nur ein "Sonderfall". 

 

In asiatischen Kulturen ist der Kern des Transzendenten eher ein Ur-Gesetz oder ein Ur-Prinzip (z. B. das Karma als das ewige Gesetz oder das Nirvana als ein Zustand ohne Veränderung und ohne Differenz). Die frühen Hochkulturen (Ägypten, Babylonien, ...) bringen Naturerscheinungen wie die Himmelskörper in Verbindung mit göttlichen Mächten. In vielen Natur-Religionen ist die Welt selbst animistisch beseelt (lat. animus = Wind, Haus, Seele).

 


Welche Funktionen haben Gottheiten?

der ägyptische Sonnengott Aton; Pharao Echnaton sieht sich selbst als Abkömmling des Sonnengottes
der ägyptische Sonnengott Aton; Pharao Echnaton sieht sich selbst als Abkömmling des Sonnengottes

Wir können davon ausgehen, dass Gottheiten in vielen Kulturen wichtige Funktionen erfüllt haben. Sonst hätten sich nicht in praktisch allen Kulturen Vorstellungen über Gottheiten oder das Göttliche entwickelt. 

 

Wichtige Funktionen, die Gottheiten erfüllen: 

 

  • Gottheiten machen Naturphänomene begreifbar und erklärbar. Himmelserscheinungen (Sonne, Mond, Sterne, ...), Naturphänomene wie Donner und Blitz, Tag und Nacht, Wachstum, Geburt, Tod, Fruchtbarkeit sind den Menschen lange Zeit nicht begreiflich. So ist es nahe liegend, dass sie hinter diesen Erscheinungen magische Kräfte am Werk sehen. 
  • Durch den Kontakt mit Gottheiten (Anrufung von Gottheiten im Gebet, rituelle Handlungen, Opfergaben, ...) können Menschen versuchen, das eigene Schicksal positiv zu beeinflussen und damit ein Stück weit Kontrolle über ihr eigenes Leben und Schicksal zu erhalten.
  • Schutz durch Gottheiten. Für viele Lebenssituationen gibt es eigene Schutzgötter, die Menschen in gefährlichen Situationen anrufen können und auf deren Unterstützung sie vertrauen können. Dazu zählen beispielsweise Fruchtbarkeitsgottheiten, die die Menschen vor Missernten bewahren sollen, Kriegsgottheiten, die den Menschen in gefährlichen kriegerischen Auseinandersetzungen zur Seite stehen sollen, Liebesgottheiten, Gottheiten, die den Menschen bei Krankheiten beistehen etc. Teilweise haben auch Familien, Städte, Völker eigene Gottheiten, zu denen sie eine besonders enge Verbindung pflegen. 
  • gesellschaftliche Ordnung.  In vielen (aber nicht in allen) Kulturen werden auch die gesellschaftliche Ordnung und die Machtverhältnisse unter Berufung auf Götter erklärt und gerechtfertigt. Es ist kein Zufall, dass in vielen Kulturen (die alten Ägypter sind dafür nur ein Beispiel) die Herrscher für sich eine göttliche Herkunft postulieren und die Priester oder Schamanen, die ja oft eine gesellschaftlich mächtige Funktion innehaben, selbst eine priviligierte Position in den jeweiligen Gesellschaften innehaben. Bis ins 20. Jahrhundert hinein gibt es in den Monarchien Europas eine enge Verflechtung zwischen dem priviligierten Adel (v.a. den Herrscherhäusern) und den jeweiligen Kirchen. 
  • Ethik und Moral. Sehr oft werden moralische Regeln und Handlungsprinzipien mit "ewigen Gesetzen" oder göttlichen Geboten begründet oder daraus abgeleitet. Das hat den Vorteil, dass diese Gebote nicht nur staatlich durchgesetzt werden müssen und "ewige Gültigkeit" beanspruchen können. Jemand, der gegen fundamentale ethische Prinzipien oder Regeln verstößt, muss dann nicht nur die irdische Macht, sondern auch den Zorn der Götter fürchten. Außerdem ist es vielleicht tröstlich, darauf zu vertrauen, dass "böse Menschen" wenn schon nicht im Diesseits, dann wenigstens im Jenseits (oder in einem nächsten Leben) dafür zur Verantwortung gezogen werden. 
  • Kunst und Kultur: In vielen Kulturen sind es Götter oder Gottheiten, die den Menschen fundamentales Wissen weitergeben (z. B. über Priester oder Schamanen). Auch werden fundamentale Kulturleistungen wie z. B. die Beherrschung des Feuers (Prometheus in der griech. Mythologie) oder der Schmiedekunst (Hephaistos) auf göttliche Hilfe und Unterstützung zurückgeführt. 
  • Überwindung der Grenze des Todes: Ein wichtiges göttliches Attribut ist die Unsterblichkeit. Und je nach Glaubensauffassung ermöglichen Gottheiten den Menschen an dieser Unsterblichkeit bis zu einem gewissen Grad teilzunehmen. Sei es, dass sie den Menschen ein (mehr oder weniger angenehmes) Weiterleben nach dem körperlichen Tod ermöglichen, oder sei es, dass durch ihre Unterstützung und Hilfe ein Wiedergeborenwerden oder ein Weiterleben als "Geistwesen" möglich wird. 

göttliche "Grundtypen"

immanente und transzendente Gottheiten

In manchen Kulturen ist das Göttliche Teil der physikalischen Welt. Hier wird also nicht zwischen einem "Diesseits" (oder einer physikalischen Welt) und einem Jenseits (oder einer himmlichen / nicht-physikalischen Welt) unterschieden. Vielmehr stellt man sich die Natur selbst als "beseelt" oder "göttlich" vor. Beispiele dafür finden sich in vielen Naturreligionen, in denen Tieren, Bäumen, Bergen, Flüssen ... göttliche Attribute zugeschrieben werden. Auch der Pantheismus ist eine Glaubenstradition, in der das Göttliche der Natur selbst innewohnt. Dieser Auffassung zufolge ist als das Göttliche etwas in der Welt selbst liegendes, etwas der Welt IMMANENTES

 

Im Gegensatz dazu stehen Glaubensvorstellungen, die die Welt als etwas sehen, was von der göttlichen Sphäre grundelgend getrennt ist. Gott oder das Göttliche ist dann etwas, was außerhalb der Welt liegt und allenfalls von außen auf die Welt einwirkt. Gott wird also als TRANSZENDENTE MACHT begriffen. Eine der transzendentesten Gottheiten überhaupt ist wohl der jüdische Gott, der so "jenseitig" ist, dass der Mensch sich von ihm kein Bild machen und wenn möglich auch seinen Namen nicht aussprechen soll. Er soll einfach darauf vertrauen, dass dieser Gott in irgendeiner Form "da ist" (Jahwe = Ich bin da.)

 

In der Neuzeit stellen sich viele Astronomen (z. B. Kepler) Gott als eine Art ersten Beweger (deus ex machina) vor, der zwar die Welt geschaffen hat, dann aber nicht mehr weiter auf sie einwirkt. Dadurch wird die Welt mittels Naturgesetzen erklärbar und Wunder sind allenfalls Phänomene, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt über Naturgesetze noch nicht erklären lassen. 

Kulturgötter - Universalgottheiten

Die allermeisten Kulturen