Auf der Flucht. Asyl und Asylrecht. 

Die Genfer Flüchtlingskommission. Oder: Wer ist ein Flüchtling?

In Artikel 14 der UN-Menschenrechtserklärung wird Menschen grundsätzlich das Recht zugestanden, vor Verfolgung in anderen Staaten Schutz zu erhalten: 

 

"1. Jedermann hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

 

2. Dieses Recht kann im Falle einer Verfolgung, die sich tatsächlich auf nichtpolitische Straftaten oder auf Handlungen gründet, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, nicht in Anspruch genommen werden."

 

 

Diese Bestimmung ist grundlegend für den Völkerrechtsvertrag, der definiert, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte ein Flüchtling hat. Also für die 1951 beschlossene Genfer Flüchtlingskonvention ("Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge") 

 

Nach Artikel I der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling "eine Person, die sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat, und die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann."

 

Personen, die „Verbrechen gegen den Frieden“,  Kriegsverbrechen oder ein anderes ein schweres Verbrechen begangen haben, erhalten des Asylstatus nicht.

 

Die UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees; UN-Flüchtlingshochkommissariat) mit Sitz in Genf hat die Aufgabe, die Einhaltung völkerrechtlicher Bestimmungen zu beachten (also darauf zu achten, dass Staaten die Flüchtlingskonvention, die sie unterschrieben haben, auch umsetzen). Und sie hat die Aufgabe, Menschen die auf der Flucht sind, humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. In beiden Bereichen arbeitet sie heute eng mit NGOs (z. B. Rotes Kreuz, Ärzte ohne Grenzen) zusammen. 

 

Die UNO schätzt, dass derzeit über 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind. Viele Menschen, die vor Krieg oder schweren politischen Kriegen fliehen, leben über viele Jahre notdürftig in provisorischen Unterkünften und sind auf humanitäre Hilfe durch die UNHCR und durch humanitäre Hilfsorganisationen angewiesen. Nur wenige Flüchtlinge schaffen es, in westeuropäischen Staaten Asyl zu bekommen. 


Die UNHCR ist eigentlich nur für internationale Flüchtlinge - also für Menschen, die über eine staatliche Grenze fliehen - zuständig. Und nur für diese gilt die Genfer Flüchtlingskonvention. 


Sehr viele Menschen, die beispielsweise wegen einer Bürgerkriegssituation auf der Flucht sind, bleiben aber innerhalb ihres Staatsgebietes. Sie sind so genannte Binnenflüchtlinge. Hier leistet die UNHCR zwar humane Hilfe. Sie hat aber kein politisches Mandat. 

Entwicklung des Asylgedankens und Umgang mit dem Recht auf Asyl

Das Recht auf Asyl – in der UN-Menschenrechtserklärung als allgemeines Menschenrecht festgeschrieben – wird mit der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 zu einem völkerrechtlichen Vertrag, den bis heute zirka 150 Länder, darunter Österreich, ratifiziert haben. Die Genfer Flüchtlingskonvention war eine Reaktion auf die Massenflucht und -vertreibung in Europa während des Nationalsozialismus (Verfolgung der Juden und politisch Andersdenkender) und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (z. B. Vertreibung von Sudetendeutschen).

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Europa immer wieder mit Fluchtbewegungen konfrontiert. Bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts waren dies vor allem Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostblockstaaten (Vertreibung der Sudetendeutschen nach 1945, Ungarnaufstand 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen 1980, ...). Insgesamt haben in Österreich zwischen 1956 und 1989 über 600 000 Menschen aus diesen Staaten politisches Asyl erhalten. Die Bereitwilligkeit, Flüchtlinge aus den Ostblockstaaten aufzunehmen, war sehr groß. Teilweise hatte dies ideologische Gründe (der „humane Westen“, teilweise historische Gründe: viele Flüchtlinge kamen aus Staaten, die Teil der Habsburger-Monarchie war). Eine weitere große Flüchtlingsbewegung war in den 90er-Jahren im Zusammenhang mit dem Krieg in Bosnien-Herzegowina.

 

Nach 1989 änderte sich die Flüchtlingspolitik in Österreich ebenso wie in (fast?) allen anderen westeuropäischen Staaten. Die Möglichkeiten, auf legalem Weg Asyl zu erhalten, wurden mittels gesetzlicher Regelungen Schritt für Schritt eingeschränkt.

 

Die Gründe für das Grundgefühl, man müsse das Asylrecht verschärfen, waren:

 

  • Arbeitslosigkeit in westeuropäischen Staaten: Die Möglichkeit, noch mehr Menschen mit niedriger Qualifikation zu integrieren, wurde bezweifelt.
  • Probleme mit der Integration von Migranten; Entstehung von Ghettos in europäischen Großstädten; Entstehung von Parallelgesellschaften
  • Öffnung der Grenzen zum Osten: Angst, dass viele Menschen aus wirtschaftlichen Gründen die ehemaligen Ostblockstaaten, v. a. Rumänien, Bulgarien, Albanien, verlassen und dafür das Asylrecht für sich nutzen wollen. wurde stärker
  • Dauerkrisen in vielen afrikanischen und asiatischen Staaten in Verbindung mit besseren Verkehrsverbindungen (Flugzeug): Erst seit den 80er-Jahren suchten auch Menschen von außerhalb Europas in europäischen Staaten um Asyl an. Es wurde befürchtet, dass durch eine liberale Flüchtlingspolitik Europa zu einem attraktiven Fluchtziel wird und Menschen aus Krisenregionen geradezu anzieht. 
  • Stärkung rechtspopulistischer Parteien in vielen Europäischen Staaten. Diese machen teilweise Anti-Ausländer und Anti-Asyl-Kampagnen und sind damit politisch oft erfolgreich. Sie üben so Druck auf Regierungen und andere Parteien aus. 
  • Meinung, dass viele Menschen, die Asyl beantragten, keine politischen Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsflüchtlinge seien, sich also bessere Lebensbedingungen in Westeuropa erhofften. (NGOs kritisieren teilweise, dass eine solche Unterscheidung gar nicht möglich sei). 

 

Verschärfung des Asylrechts …

 

Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es auf nationaler und auf EU-Ebene eine Vielzahl von Regelungen, die in der Praxis dazu führen, dass es schwerer wird, in einem westeueropäischen Staat als Flüchtling anerkannt zu werden. Dazu gehören beispielsweise folgende Regelungen: 

 

  • Sichere Drittlandregelung im Rahmen des Schengen-Abkommens: Asylwerber müssen in dem Land um politisches Asyl ansuchen, in dem sie sich zum ersten Mal in einem sicheren Drittland befinden. Das heißt, sie können sich nicht mehr das Land aussuchen, in dem sie um politisches Asyl ansuchen wollen. Nachdem Österreich seit Mitte der 90er-Jahre von lauter sicheren Drittländern umgeben ist, kann jemand nur noch mittels Flugzeug einreisen, um einen legitimen Asylantrag zu stellen. 

 

  • Individualprüfung. Seit Mitte der 90er-Jahre muss in Österreich jeder einzelne Asylwerber sich einem Verfahren stellen, in dem geprüft wird, ob er das Recht hat, als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Diese Asylprüfungsverfahren führen zu einer Reihe von Problemen: Erstens können die Verfahren sehr lange dauern (vier Jahre sind keine Seltenheit). Während dieser Zeit dürfen Asylwerber keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und sich im Land, in dem sie Asyl beantragt haben, nicht frei bewegen. Der Staat Österreich ist vom Verfassungsgerichtshof verpflichtet worden, die Betreuung dieser Asylwerber zu übernehmen. Momentan streiten die Länder um die Frage, wie viele Asylwerber sie jeweils aufnehmen müssen. Außerdem führt diese Individualprüfung dazu, dass jemand nach einem negativen Asylbescheid das Land, in dem er um Asyl nachgefragt hat, wieder verlassen muss. Tut er dies nicht freiwillig, kann er auch zwangsweise abgeschoben werden. Die Gratwanderung zwischen Menschenrechtsverletzung einerseits und Recht / Notwendigkeit, rechtsstaatliche Beschlüsse auch durchzusetzen, ist oft schmal. (vgl. Film, vgl. Fall Omofuma)

 

  • Dubliner Abkommen von 2004: Die Vertragsstaaten (alle EU-Staaten, Schweiz) sind übereingekommen, dass ein Asylwerber nur noch das Recht auf ein Asylverfahren hat. Das heißt: wenn er in einem Staat einen negativen Asylbescheid erhalten hat, kann er in keinem anderen Staat mehr ein Asylverfahren anstreben.

Folgen

 

Weil Asylsuchenden die legalen Einreisewege zunehmend versperrt sind, suchen Menschen nach illegalen Wegen, nach Europa zu kommen. Das führt zu organisierter Kriminalität, weil Menschenschmuggler und Schleuser, die teilweise mafiaähnlich organisiert sind, Menschen illegal nach Europa bringen. Viele Menschen sterben beim Versuch, auf illegalem Weg in die EU gelangen; zum Beispiel auf dem Mittelmeer, wenn nicht hochseetaugliche überfüllte Boote kentern. 


Für viele Menschen ist der Nachweis, dass sie Flüchtlinge im Sinn der Genfer Konvention sind, schwierig. Deshalb dauern Asylverfahren oft viele Jahre. Und es immer schwerer, als Flüchtling anerkannt zu werden. Manche Asylwerber benutzen aber auch falsche Papiere oder sie zerstörten unterwegs ihre Ausweise, weil sie glauben, sie erhöhten ihre Asylchancen oder man könne sie so nicht abschieben.

 

Asylverfahren dauern mitunter mehrere Jahre. In der "Wartezeit" haben Asylwerber keinen rechtlichen Status, sie sind im Land nur geduldet und müssen bei einem negativen Asylbescheid mit der Abschiebung rechnen. Asylwerber dürfen nicht arbeiten. Sie können sich nicht integrieren. Erst seit kurzem ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, dass Asylwerber eine Lehrausbildung machen dürfen. Dass Asylverfahren zu lange dauern, bestreitet niemand. 

 

Negative Asylbescheide führen immer wieder zu Härtefällen (z. B. Fall Arigona). Menschen, die bereits viele Jahre in Österreich gelebt haben und teilweise sehr gut integriert sind, müssen das Land verlassen. Andererseits ist auch klar, dass in einem Rechtsstaat rechtsgültige Bescheide umgesetzt werden müssen. 

 

Welche Rechte haben anerkannte Flüchtlinge? 


Das zentrale Recht, das ein Flüchtling hat, basiert auf dem Prinzip des Non-Refoulement, d.h. auf dem Verbot, einen Menschen in ein Land zurückzuschicken, in dem ihm Verfolgung (oder Folter oder die Todesstrafe) droht. 

 

Zu den grundlegenden Rechten eines Flüchtlings gehören das Aufenthaltsrechtsrecht und die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, in dem jemand anerkannt ist. Damit ein Flüchtling reisen kann, hat er Anspruch auf einen Flüchtlingspass. Ein Flüchtling hat auch das Recht, im Asylland zu arbeiten. Im Wesentlichen hat er - von den unmittelbaren politischen Rechten, die an die Staatsbürgerschaft geknüpft sind, abgesehen, alle Rechte, die auch StaatsbürgerInnen haben. 

 

Das Recht auf Asyl besteht solange, so lange der Asylgrund (Gefahr von Verfolgung) besteht. Wenn sich z. B. die politischen Verhältnisse im Herkunftsland ändern, kann der Asylstatus grundsätzlich aberkannt werden. Jemand müsste dann das Asylland wieder verlassen, wenn er nicht aus einem anderen Grund (z. B. weil er inzwischen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft hat) ein Bleiberecht hat. In solchen - seltenen - Fällen bemüht sich die UNHCR um "freiwillige Rückkehr". 


Österreich

In Österreich haben im Jahr 2013 17500 Personen Asyl beantragt. Die meisten kamen aus der russischen Föderation (Tschetschenien), aus Afghanistan und aus Syrien. 

 

Asylanträge von Asylwerbern aus Syrien und dem Iran wurden zu 75 Prozent anerkannt, aus Afghanistan wurden 50 Prozent der Asylanträge positiv anerkannt, aus der Russischen Föderation 25 Prozent. Praktisch keine Chancen auf Anerkennung hatten Asylwerber aus dem Kosovo, aus Marokko, aus Pakistan, aus Algerien, aus Nigeria (Anerkennungsquote unter bei 2 Prozent oder darunter). 

 

Insgesamt wurden 2013 4100 Asylanträge positiv genehmigt. Demgegenüber stehen 10.300 Asylanträge, die rechtgültig negativ erledigt wurden, wo also letztinstanzlich kein Recht auf Asyl gewährt wurde. 2100 Verfahren wurden aus unterschiedlichen Gründen eingestellt. 

 

In 1800 Fällen wurde nach einem negativen Asylbescheid erkannt, dass eine Rückführung (Refoulment) nicht möglich oder nicht zulässig sei. Diese Personen werden (vorübergehend?) geduldet, auch wenn sie keinen Rechtstitel für einen Aufenthalt haben. In knapp 5000 Fällen wurde ein Refoulment (Ausweisung, Zwangsausschaffung) für zulässig erkannt.