Nachhaltigkeit ("Sustainability")

Begriff Nachhaltigkeit

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und wurde von Hans Carl Carlowitz geprägt. Er bezeichnet die klassische Bewirtschaftungsweise des Waldes, bei der immer nur so viel Holz entnommen wird, wie wieder nachwachsen kann. Dadurch wird der Wald – obwohl er vom Menschen genutzt wird – nie in seiner Substanz geschädigt. 


In den 50er-Jahren wird die Idee der Nachhaltigkeit auf andere Themenfelder aus dem Bereich Natur und Umwelt erweitert. 


1973 kommt es zur ersten Rohöl-Krise. Damit wird den Menschen zum ersten Mal etwas bewusst, was scheinbar selbstverständlich ist, nämlich die Tatsache, dass Umwelt und Rohstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Eine weitere Sensibilisierung passiert durch den Zukunftsbericht des Club of Rome (1972), der voraussagt, dass binnen 30 Jahren (also bis zirka 2000) alle Erdölvorkommen auf der Welt verbraucht sein würden. Das ist zwar nicht eingetreten, aber dass z. B. Erdöl nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, ist den Menschen in der Zwischenzeit bewusst geworden. …


Nachhaltigkeit geht von folgenden – eigentlich selbstverständlich erscheinenden – Grundannahmen aus:

  • Der Mensch darf die Natur für sich nutzbar machen.
  • Diese Nutzbarmachung ist mit Verantwortung verbunden: Der Mensch darf die Natur zwar nutzen, er darf sie aber nicht zerstören. Er darf nur so viele Ressourcen verbrauchen, wie auf der anderen Seite wieder entstehen. Er muss auf ökologische Kreisläufe achten. 
  • Die Nutzung der Natur muss auch (zumindest fundamentale) globale (räumliche) Gerechtigkeits-Kriterien erfüllen. Es kann nicht sein, dass die Menschen in den reichen und industrialisierten Staaten praktisch alle natürlichen Ressourcen für ihren (luxuriösen) Lebensstil nutzen, während Menschen in ärmeren Regionen die Ressourcen für ein wenigstens annähernd "gutes Leben" (elementare Versorgung mit Nahrung, Gesundheit, Wohnen, ...) fehlen. 
  • Die Nutzung der Natur muss auch die Bedürfnisse zukünftiger Generationen berücksichtigen (Generationengerechtigkeit). Es kann nicht sein, dass eine Generation auf Kosten der nächsten Generationen lebt und deren Lebensgrundlage (z. B. Erdöl) verbraucht oder ihnen die Abfälle (Atommüll) hinterlässt. 


Nachhaltigkeit wird im modernen Begriffsverständnis auch als Übersetzung für den englischen Begriff der sustainability (Nachhaltigkeit) bzw. des sustainable development (nachhaltige Entwicklung) verwendet. Dafür ist Definition der so genannten Brundtland-Kommission (1987) maßgeblich ist:


1. "Entwicklung zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können".

2. "Eine zukunftsfähige Entwicklung ist ein Prozess der Veränderung, in dem die Nutzung der Ressourcen, die Struktur der Investitionen, die Orientierung des technischen Fortschrittes und die institutionellen Strukturen konsistent gemacht werden mit den zukünftigen und den gegenwärtigen Bedürfnissen."


zentrale Elemente des Nachhaltigkeitskonzepts

Konzept der Grundbedürfnisse

Die Grundbedürfnisse aller Menschen (Nahrung, Wohnung, Bildung, Gesundheit, …) müssen gesichert werden; vor allem die Grundbedürfnisse der armen Menschen hat Vorrang vor einer weiteren Vermehrung des Reichtums in der so genannten Ersten Welt

 

Konzept der Grenzen

Dem Fortschritt sind durch die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen (Rohstoffe, Boden, Wasser, intakte Umwelt, ...) natürliche Grenzen gesetzt.

 

Konzept der Tragfähigkeit des globalen Ökosystems

Diese natürlichen Grenzen können nicht überschritten werden, ohne das Ökosystem nachhaltig zu schädigen und zukünftigen Generationen die Lebensgrundlage zu entziehen. Nachhaltigkeit heißt Wirtschaften in Kreislaufsystemen. Nachhaltigkeit heißt, die Tragfähigkeit des globalen Ökosystems nicht zu gefährden. Dazu zählt insbesondere auch Klima-Erwärmung, Abholzung von Regenwäldern, Ozonloch, …

Umsetzungsebenen: Drei-Säulen-Modell

Die Idee der Nachhaltigkeit versucht drei Ebenen gleichwertig zu berücksichtigen bzw. einen fairen Ausgleich zwischen diesen drei Ebenen (oder Säulen) zu erreichen: Umwelt, Soziale Lebensverhältnisse und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Im Hintergrund steht die Überzeugung, dass es falsch ist oder wäre, eine dieser drei Zielsetzungen zu bevorzugen. Alle drei Ebenen sind aufeinander bezogen. Und alle drei Ebenen sind voneinander abhängig. Gute Lebensbedingungen finden Menschen in einer Gesellschaft (oder in einer Welt vor), wenn es gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen gibt, wenn die Umwelt intakt ist und wenn grundlegende soziale Bedürfnisse erfüllbar sind. 


Umweltziele (Ökologie)

generelles Ziel: Schonung und Schaffung von Naturkapital. Dazu gehören 

  • Schonung der natürlichen Ressourcen (Erdöl, Regenwälder, ….)
  • Emissionskontrolle und -reduktion (Schadstoffe, CO2,SO2, NOx, …)
  • Förderung erneuerbarer Energien
  • Förderung von Recycling-Systemen


Soziale Ziele

generelles Ziel: Sicherung von Sozialkapital. Dazu gehören ...

  • Armutsbekämpfung in so genannten Dritte-Welt-Staaten
  • Aufbau und Verbesserung der Versorgung mit Gesundheit, Bildung, Wohnen, …in so genannten Dritte-Welt-Staaten und Zweite-Welt-Staaten
  • Sicherung der sozialen Sicherheit in Industriestaaten


Wirtschaftliche Ziele (Ökonomie)

  • Sicherung von Wirtschaftskapital
  • Nachhaltiges Wirtschaftswachstum;
  • Wirtschaftswachstum vor allem in Zweite-Welt-Staaten und Dritte-Welt-Staaten (Ausgleich!) 

Beispielthema industrielle Fleischproduktion / Massentierhaltung aus der Drei-Säulen-Perspektive

Soziale Perspektive


  • Fleisch aus Massentierhaltung ist billig; deshalb kann es in sozialer Hinsicht auf den ersten Blick positiv erscheinen, möglichst viel Fleisch zu einem möglichst günstigen Preis auf den Markt zu bringen.
  • Auf den zweiten Blick ist Fleisch aus Massentierhaltung – vor allem aus einem globalen Blickwinkel - aber auch in sozialer Hinsicht problematisch: Die Mästung erfolgt meistens mit Futtermitteln (v. a. Mais etc), die aus Monokulturen in Schwellenländern (Südamerika, Asien, …) stammen. Das zerstört die traditionelle Landwirtschaft in diesen Regionen. Bauern verarmen. Indirekt vergrößert Fleisch aus Massentierhaltung das Hungerproblem.


Wirtschaftliche Perspektive

  • Die industrialisierte Landwirtschaft ist auf den ersten Blick hocheffizient. Nahrungsmittel – insbesondere Fleisch – steht in großen Mengen zu einem extrem günstigen Preis zur Verfügung.

  • Auf den zweiten Blick erkennt man aber, dass die Landwirtschaft ein hoch subventionierter Bereich ist. Indirekt werden die billigen Preise für Nahrungsmittel also über Steuergelder subventioniert. An die 50 Prozent der EU-Fördermittel und Subventionen fließen direkt oder indirekt in die Landwirtschaft. In den letzten Jahrzehnten wurde vor allem die Massenproduktion subventioniert. Nachhaltigkeit, Tierschutz, ökologische Verträglichkeit spielten keine Rolle. Derzeit läuft eine Umstellung der Subventionspolitik in Richtung Nachhaltigkeit (EU Haushaltsentwurf 2013)

  • Industrielle Massenproduktion konkurrenziert mit Billigpreisen eine nachhaltig(er)e [und Tierschutzbestimmungen eher gerecht werdende] Landwirtschaft. In Agro-Farmen – beispielsweise in Norddeutschland und den Niederlanden, aber auch in Polen – werden Tausende von Schweinen oder Rindern in kürzester Zeit hochgemästet. Traditionell arbeitende Betriebe können hier nicht konkurrieren. Ökologische Landwirtschaft ist ein wachsender, aber insgesamt immer noch sehr bescheidener Nischenmarkt.


Ökologische Perspektive

Unter ökologischer Perspektive schneidet die industrielle Landwirtschaft besonders schlecht ab:


  • Massenproduktion von Futtermitteln in Monokulturen zerstört das Ökosystem, ist extrem wasserintensiv, ist nur unter Einsatz von Chemikalien möglich.
  • Massentierhaltung in Agrofarmen belastet das Grundwasser (Fäkalien, …)
  • Massentierhaltung zur Fleischproduktion ist nur unter hohem Einsatz von extrem kalorienhaltigen Futtermitteln möglich. Der BSE-Skandal in den 90er-Jahren wurde durch verseuchte Futtermittel aus Tierkadavern verursacht. Der Dioxin-Skandal in D. 2001 wurde durch „verunreinigte“ Futtermittel verursacht.
  • Fleischproduktion in Massentierhaltung ist nur durch intensiven Einsatz von Medikamenten, v. a. Antibiotika, möglich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit begünstigt das das Entstehen von Resistenzen. Obwohl es verboten ist, werden auch immer wieder Wachstumshormone, die ein schnelleres Wachstum und damit Kostenersparnisse ermöglichen, eingesetzt.
  • Belastetes Fleisch muss als Sondermüll verbrannt werden.
  • Fleisch aus Massenproduktion wird europaweit (immer stärker auch weltweit) vermarktet. Der Transport von Lebendvieh, aber v. a. auch von Fleisch quer durch Europa) belastet die Umwelt (CO2-Bilanz)


Was wir hier auch sehen: Pathozentrische Argumente (Verhindern von Tierleid) spielen im Konzept der Nachhaltigkeit eigentlich keine wichtige Rolle. Das Nachhaltigkeitskonzept stark von einer anthoprozentrischen Umweltethik geprägt. 

Bewertung; Kritik

Kritiker merken an, dass der Begriff „nachhaltiges Wirtschaftswachstum“ ein Widerspruch in sich sei. Das heißt: Wirtschaftliches Wachstum könne nur mit einer steigenden Produkution von Konsumgütern und damit mit einem steigenden Naturverbrauch erlangt werden. Allerdings lässt sich zeigen, dass durch bessere Umweltstandards und durch Recyclingsystemen Wirtschaftswachstum und weniger Naturverbrauch kein Widerspruch sein müssen. Beispiel dafür sind die ehemaligen Ostblockstaaten, die heute trotz deutlich höherer Wirtschaftsleistung weniger Schadstoffe in die Luft entweichen lassen, weil sie moderne Filteranlagen, … haben.

 

Eine Streitfrage bleibt aber weiterhin, inwieweit man nicht oder wenig industrialisierten Staaten erlauben soll und darf, die Umwelt weiterhin mehr zu belasten, bis sie einen entsprechend hohen Grad an Industrialisierung erreicht haben. Kritiker sagen, wenn wir bei ärmeren Ländern mitteleuropäische Umweltstandards einfordern, verdammen wir sie damit dazu, in dauerhafter Armut zu bleiben, ohne selbst mit der existentiellen Not dieser Menschen konfrontiert zu sein.

 

Es bleibt die Tatsache, dass der Wohlstand der hoch industrialisierten Welt teilweise auf Kosten der Menschen in den armen Ländern gewonnen wird. Alternativ wäre z. B. eine gerechtere Verteilung der weltweit verfügbaren Ressourcen oder ein besseres Preisniveau für Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte denkbar. Das widerspricht aber dem Prinzip der freien Marktwirtschaft und dem dieser inhärenten Prinzip, dass Angebot und Nachfrage die Preise regeln.


Kritiker merken an, dass das Adjektiv „nachhaltig“ inzwischen für alles und jedes als Feigenblatt herhalten muss. Die weltgrößten Verschmutzer wie die Erdöl-Firma Schell oder der US-Agrarkonzern Monsanto reklamieren für ihre Produkte inzwischen ebenso selbstverständlich das Attribut „nachhaltig“ wie fast die gesamte Autoindustrie. Aber ein Auto wird schon vom Prinzip her nie nachhaltig sein.

 

Arbeitsaufgaben

A1: Als "Maß-Einheit" für Nachhaltigkeit hat sich der so genannte ökologische Fußabdruck durchgesetzt. Es gibt mehrere Webseiten, auf denen man berechnen kann, welchen ökologischen Fußabdruck man selber mit seinem Lebensstil hinterlässt. Erkläre, was der ökologische Fußabdruck ist. Kläre, welche zentralen Themenbereiche darauf Einfluss nehmen (Konsumverhalten). Berechne deinen eigenen Fußabdruck. 


[PS: Manchmal ist es auch spannend, zwei verschiedene Berechnungen durchzuführen. Teilweise sind die Ergebnisse recht unterschiedliche ;-) ]


A2: Die Grafik (Quelle: footprint.at) zeigt, wie hoch der durchschnittliche Erden-Verbrauch in unterschiedlichen Staaten / Gesellschaften ist. Welche Zahlen wurden hier für Österreich ermittelt? Wie liegen die ÖsterreicherInnen im Vergleich?

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