Was sind Emotionen?

Vorüberlegungen zum Thema

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Vorüberlegungen zum Thema Emotionen (Beispiel Angst)
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Welche Emotionen gibt es?

  • Emotionen ("Gefühle") sind Gegenpole zum vernünftigen und rationalen Denken und Handeln. 

  • Der Begriff kommt vom Lateinischen "movere" = bewegen. Im Begriff spiegelt sich die Tatsache, dass Emotionen "adaptiv sind", uns also zum Handeln bewegen. 

  • Der Psychologe Paul Ekman unterscheidet sieben Basis-Emotionen (= Grundgefühle, Primärgefühle), die nach seiner Meinung universell sind und die sich auch in einer charakteristischen Mimik (und Körperhaltung) ausdrücken. Diese Basis-Emotionen sind: 

    Wut 
    Furcht / Angst
    Freude
    Überraschung
    Trauer
    Abscheu/Ekel
    (Verachtung)

    Alle Emotionen entwickeln sich nach der Geburt durch Differenzierung aus zwei Grundstimmungen: Zuwendung / Appetenz einerseits und Abwendung / Aversion andererseits. 


  • Es gibt noch weitere Emotionen, die aber komplexer sind und sich aus mehreren Grundemotionen zusammensetzen. Sie sind stärker sozial gepfägt sind. Dazu zählen z. B. Stolz oder Scham oder Schuldgefühle. 

Basisemotionen nach Ekman (Quelle: http://www.le-chaim.de/). Versuche die Mimik mit den einzelnen Emotionen in Verbindung zu bringen. Eine Emotion ist doppelt abgebildet. 

Was sind Merkmale von Emotionen? Beispiel Angst


Schnelligkeit auf Kosten der Genauigkeit: Emotionen sind im Vergleich zum rationalen Denken um vieles schneller  Vorteil: schnelle (Sekundenbruchteile!) intuitive Beurteilung einer Situation als Voraussetzung für schnelles Reagieren; Nachteil: emotionale Reaktion ist u. U. unangemessen, einseitig, falsch

 

Emotionale Reaktionen sind oft von einer unglaublichen Gewissheit und Direktheit. Ein kritisches Reflektieren ist erst nach Abklingen der Emotion möglich

 

Emotionen sind biologisch alte Reaktionsprogramme. Für die Anforderungen in der modernen Lebenswelt sind sie nur teilweise hilfreich. Manchmal führen sie auch zu Problemen, weil wir unangemessen reagieren. Das gilt beispielsweise für Wut oder Angst. Angst auslösende Situationen in der modernen Lebensumwelt würden oft andere, spezifischere Reaktionen erfordern als die biologischen Reaktionstendenzen Flucht, Angriff oder Totstellen. (Bsp. Prüfungsangst: Totstellen, Davonlaufen, Vermeiden bringt nichts; „Angriff“ muss sehr komplex geführt werden)

 

Die volle Intensität einer Emotion kann nur kurz (Minuten) anhalten und klingt dann ab. Nur wenn der Auslösereiz dauerhaft ist, bleibt auch die Emotion – bis zur körperlichen Erschöpfung – erhalten. Langanhaltende Emotionen sind weniger intensiv und werden meist als Stimmungen bezeichnet.

 

Fast alle Emotionen können auch in den pathologischen Bereich "kippen". Zum Beispiel gehören Angsterkrankungen (Panikattacken, Phobien, generalisierte Angststörungen) zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Pathologisch ist es, wenn eine Emotionen zu stark oder aber auch zu schwach (jemand hat keine Angst) ausgeprägt ist. 


(zusammengestellt nach Goleman: Emotionale Intelligenz)#



Ablauf emotionale Reaktion am Beispiel Furcht/Angst

Abb. aus Joseph Le Doux: „Das Netz der Gefühle“, München, Wien: Hanser 1998, S. 177


Ebenen von Emotionen am Beispiel Angst: Körper, Psyche, Handeln

typische körperliche Reaktionen auf ein Angstsignal

typische Erlebensreaktionen auf ein Angstsignal

typische Verhaltensreaktionen auf ein Angstsignal

 

 

 

 

Aktivierung des vegetativen Nervensystems; Stress-Reaktion (erhöhter Puls, erhöhte Durchblutung der autonomen / quergestreiften Muskulatur; „Lahmlegung“ vegetativer Funktionen, die nicht dem momentanen Überleben dienen, z. B. Hunger, Durst, Verdauung, …)

 

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Zittern

Schweiß (kalter Schweiß; feuchte Hände)

Herzschlag, Puls

Erhöhter Hautwiderstand

 

 

 

Verengung der Wahrnehmung (Tunnelblick) à Fokussierung auf die potentielle Gefahrenquelle

 

Schärfung der Wahrnehmung (z. B. Knacksgeräusche im Wald bei Dunkelheit)

 

Bei großer Angst: Blockade des Denkens

 

Bei Angst können eintrainierte Programme / Verhaltensabläufe abgerufen werden; neue Lösungswege / Kreativität sind blockiert; „Angst macht dumm“; Lernen unter Angst geht nicht!

 

 

 

Flucht

 

Angriff (Schreien, …)

 

Totstellen (Erstarren; Klotz im Hals; Brett vor dem Kopf)

Psychologische Theorien, die die Entstehung von Emotionen (Beispiel Angst) erklären

A. Biopsychologische Theorien (z. B. vergleichende Verhaltensforschung)

 

 

Angst als angeborener Reaktionsmechanismus auf angstauslösende Reize / Gefahrensignale; dienen evolutionsbiologisch betrachtet dem Überleben; Angstreaktion ist ein reflexartiger biologischer Mechanismus, der über das Zwischenhirn (Amygdala = Mandelkern) gesteuert wird; die Reaktionstendenzen sind Flucht / Erstarren / Kämpfen. Angstauslösende angstReize dürften teilweise ebenfalls biologisch geprägt sein (z. B. Angst vor Höhen, vor engen Räumen, vor Dunkelheit, vor Tieren wie Schlangen oder Spinnen), sie lassen sich aber durch Lernen überlagern; Problem ist, dass die biologische Angstreaktion in vieler Hinsicht nicht zu den Anforderungen eines modernen Lebens passt (z. B. sollten wir bei in Prüfungs-/Stress-Situationen komplexe Denkoperationen durchführen; Angst blockiert aber das komplexe Denken teilweise; z. B. sind wir in der modernen Welt einer Vielzahl / Überfülle an Reizen ausgesetzt, die dazu führen können, dass die ursprünglich sinnvolle „Angstreaktion“ aus dem Lot gerät à dramatische Zunahme von Angsterkrankungen)

 

Vermutlich gibt es bei Menschen interindividuelle Unterschiede im Hinblick auf Ängstlichkeit, die angeboren sein dürften; bei Menschen, die zu überängstlichen Reaktionen neigen, lässt sich z. B. eine sehre viel stärkere Aktivierung der Amygdala bei ambivalenten Reizen nachweisen.

 

 

B. Lernpsychologische Theorien: Klassische Konditionierung

 

 

Experiment mit dem Kleinen Albert (Watson)

 

Verbindung von einem ursprünglich neutralen Reiz (z. B. Kaninchen, Hund, Zahnarztpraxis, Straßenkreuzung…) und einem potenziell bedrohlichen Reiz (Glocke, Hund bellt / springt an, Schmerzen, wenn Zahnarzt bohrt; Unfall / Knall …) à Entstehung einer neuen Reiz-Reaktionsverbindung (erlernter Reflex) à Zahnarztpraxis / Geruch … löst Angstreaktion aus à Vermeidungsverhalten à je länger ich vermeide, desto größer wird die Angst

 

Tendenz zur Ausweitung / Generalisierung: auch ähnliche Reize können Angstreaktionen auslösen (Albert: alles Pelzige, z. B. Pelzmäntel)

 

Tendenz zu Konditionierungen höherer Ordnung: Angsthierarchie; z. B. Angst vor Verletzung à Angst vor Blut (die an eine Verletzung erinnern könnte) à Angst vor Messer / Schere, mit der ich mich verletzen könnte à Angst vor Friseur, der mich mit der Schere verletzen könnte à Angst vor Friseurgeschäft, weil in diesem der Friseur ist, der mich mit seiner Schwere verletzen könnte

 

Im Unterschied zum Tier können beim Menschen auch innere Bilder / Vorstellungen zu Angstauslösern werden (z. B. die Katze zeigt erst dann eine Angstreaktion, wenn der Hund ums Eck biegt; bei Menschen mit einer Hundephobie genügt schon die Vorstellung, ein Hund könnte eventuell ums Eck biegen)

 

C. Modell-Lernen

 

Menschen übernehmen Angstreaktionen von Vorbildern; ein Kind, das erlebt, dass die Mutter beim Anblick einer Spinne panisch reagiert, übernimmt diese Angst; dieser Effekt lässt sich auch bei Schimpansen nachweisen

 

D. Verstärkungslernen / Lernen am Erfolg

 

Angstreaktionen werden häufig durch Aufmerksamkeit / Zuwendung / Trost etc. verstärkt (belohnt). Dadurch können sie zu einer eintrainierten Reaktion werden

 

E. kognitive Theorien 

 

Angst entsteht durch unangemessene und der Realität nicht entsprechende Denkmuster und Grundüberzeugungen. Angst provozierende Grundüberzeugungen sind z. B. 

  • die Vorstellung, man müsse immer perfekt sein und dürfe keinen Fehler machen
  • das Denken in Worst-Case-Szenarien
  • unrealistische Erwartungshaltungen
  • hohes Sicherheitsdenken