Wittgenstein 1: Abbildtheorie der Sprache (Tractatus)

Ludwig Wittgenstein. Biographisches

Ludwig Wittgenstein, Wittgensteins Schwester Margarethe, protraitiert von G. Klimt; von Wittgenstein für seine Schwester Margarethe entworfenes Haus in Wien
Ludwig Wittgenstein, Wittgensteins Schwester Margarethe, protraitiert von G. Klimt; von Wittgenstein für seine Schwester Margarethe entworfenes Haus in Wien

Ludwig Wittgenstein wird 1889 in Wien geboren. Er ist das jüngste von acht Kindern, sein Vater ist einer der führenden Industriellen der Donaumonarchie. Das von der Mutter und den älteren Geschwistern geführte Haus ist eines der kulturellen Zentren Wiens.

 

Bis zum Alter von 14 erhält Wittgenstein Privatunterricht, dann besucht er ein Gymnasium in Linz und die Technische Hochschule in Berlin und studiert in Manchester. Wittgenstein versucht sich in dieser Zeit an den Grundlagen der Aeronautik, allerdings mit wenig Erfolg. In Machnester knüpft Wittgenstein Kontakte zu Frege, Russell und Moore.

 

Wittgenstein nimmt am Ersten Weltkrieg teil. In dieser Zeit entsteht das "Tractatus Logico Philosophicus". Da Wittgenstein glaubt, mit diesem Werk alle Probleme und Fragen der Philosophie ein für alle Male gelöst zu haben (nämlich in dem er nachgewiesen sind, dass die meisten von ihnen sinnlose Scheinfragen sind), beschließt er nicht mehr zu philosophieren. Anstatt dessen versucht er sich als Gärtner in einem Kloster, mit wenig pädagogischem Erfolg als Volksschullehrer und als Architekt, indem er ein Haus für seine Schwester Margarete Stonborough in Wien plant. Das Wittgenstein-Haus, in dem sich heute die bulgarische Botschaft befindet, ist von der Architektur her revolutionär. Nach dem Tod des Vaters verzichtet Wittgenstein auf sein Erbe und lässt einen Teil seines Erbanteils Künstlern wie Rilke, Trakl, Kokoschka und Loos zukommen.

In den 40er-Jahren geht Wittgenstein nach Cambridge, wo er auf Fürsprache Russells einen Lehrstuhl erhält. Seine akademische Tätigkeit wird wiederholt von Fluchtversuchen vor der als unerträglich empfundenen britischen Lebensart im Allgemeinen und ihrer akademischen Version im Besonderen unterbrochen. Unter anderen lebt Wittgenstein monatelang in einer einsamen Hütte in Norwegen, er hält sich aber auch für längere Zeit in Russland oder Irland auf.

 

 

In der Cambridger Zeit entwickelt Wittgenstein ein völlig neues sprachphilosophisches System (Wittgenstein II). Die in Vorlesungen entwickelten zentralen Gedanken werden nach seinem Tod in den Blue and Brown Bookes herausgegeben.

 

Bedeutung der Philosophie Ludwig Wittgensteins. Überblick

Tractatus Logico Philosophicus

Der  „Tractatus logico philosophicus“ [Traktat = Abhandlung] entsteht während des Ersten Weltkrieges und wird 1920 mit der Unterstützung des englischen Mathematikers und Philosophen Bertrand Russell publiziert. Es ist ein ganz schmales Bändchen, das es aber inhaltlich in sich hat. Logisch streng strukturiert und für die meisten Menschen im Detail wahrscheinlich unverständlich, besteht es aus 7 Hauptsätzen, denen jeweils weitere Sätze in einer hierarchisch-logischen Struktur zugeordnet sind.

 

Wittgensteins Hauptthese lautet: Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit. Was sich sprachlich nicht klar (logisch eindeutige Zuordnung von Zeichen und Bezeichnetem) fassen lässt, lässt sich auch nicht erkennen

 

Die sieben Hauptsätze des "Tractatus" lauten:

 

1. Die Welt ist alles, was der Fall ist.

2. Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.

3. Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke.

4. Der Gedanke ist der sinnvolle Satz.

5. Der Satz ist die Wahrheitsfunktion der Elementarsätze

6. Die allgemeine Form der Wahrheitsfunktion ist: {r, x, N (x) }

7. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.

 

Abb. aus Osborne: Philosophie (Link)
Abb. aus Osborne: Philosophie (Link)

 

Erläuterungen:

 

Im "Tractatus" geht Wittgenstein - wie die Vertreter des Wiener Kreises auch - von einer Abbildtheorie der Sprache aus. Das heißt, er meint, Sprache habe die Funktion, eine wie auch immer geartete Wirklichkeit logisch abzubilden. "3. Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke. 4. Der Gedanke ist der sinnvolle Satz".

 

Dieser Theorie zufolge ist Sprache dann falsch (oder problematisch oder sinnlos), wenn sie an der Wirklichkeit (den Tatsachen) vorbei"schießt". Beispiele für solche problematischen Sätze haben wir in der Auseinandersetzung mit dem Wiener Kreis bereits kennen gelernt. Es sind vor allem Sätze, die nur vorgeben, etwas abzubilden, es in Wirklichkeit aber nicht tun, entweder weil ihre Begriffe ins Leere zielen (das wäre ein Fehler auf der semantischen Ebene) oder weil die syntaktische Verknüpfung der Begriffe in der Realität nichts abbildet. Beispiele für ersteres wären Sätze wie "Auf der Wiese steht ein Einhorn", "Gott existiert", "Gott existiert nicht", "Das Nichts nichtet", "Die "Mona Lisa" von da Vinci ist schön" u.a.m. Beispiele für letzteres wären Sätze wie "Der Baum ist verliebt", "Das Geodreieck ist traurig", "Der Stein weint" ...

 

Ziel Wittgensteins ist es, eine Grenze zwischen sinnvollen, die Wirklichkeit abbildenden, und nicht-sinnvollen, d.h. in der Wirklichkeit nichts abbildenden Sätze zu finden. Er meint, im "Tactatus" diese Grenze auch tatsächlich gefunden zu haben (wo genau, muss uns in diesem Zusammenhang nicht kümmern). Tatsache für Wittgenstein ist, dass er mit dieser Grenzlinie auch die Sätze der Philosophie, die ja per definitionem nichts abbilden, also die Sätze, in denen er seine Theorie formuliert, schrittweise eliminiert und eliminieren muss. Wittgenstein vergleicht diesen Prozess mit einer Leiter, auf der er in die Höhe klettert, um sie anschließend umzustoßen, weil eine Rückkehr auf die Erde weder möglich noch wünschenswert ist.

 

"Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen" gilt ab sofort nicht nur für die Theologie, die Kunst, die Literatur, ....; der Satz gilt ab sofort auch für die Philosophie. Auch sie ist als etwas erkannt worden, was jenseits des "klar Sagbaren" liegt. Damit kann die einzige Konsequenz für die Philosophie das Schweigen sein. (Wittgenstein nimmt die eigene Theorie ernst, indem er aufhört zu philosophieren und sich mit Gärtnern und Unterrichten beschäftigt.


Arbeitsaufgaben

A1: Schau das Lehrvideo über Ludwig Wittgenstein an. Ergänze mithilfe des fiktiven Interviews mit Ludwig Wittgenstein. Fasse die zentralen Aussagen über Ludwig Wittgenstein und seine sprachphilosophischen Theorien in eigenen Worten auf Deutsch knapp zusammen. 

 

A2: Im "Tractatus" vertritt Wittgenstein eine Abbildtheorie der Sprache. Was bedeutet das? Was bedeutet in diesem Kontext folgende Aussagen: "Dieser Satz ist wahr." oder "Dieser Satz ist falsch." oder "Diese Aussage ist sinnlos."

 

A3: Jenseits der Grenzen des klar Sagbaren gibt es vieles, "wovon man nicht sprechen kann", was aber nichtsdestotrotz wichtig ist. Es ist laut Wittgenstein 1 "das Mystische". Und "es zeigt sich": Was ist es? Was gehört beispielsweise dazu? Welche Bedeutung hat es? Wenn es sich  nicht mitteilen lässt: Wie lässt es sich Erfahren? Wie lässt es sich teilen? 

Download
Fiktives Interview mit Ludwig Wittgeinstein (Teil 1 und Teil 2)
160418_Sprachphilosophie_Wittgenstein.pd
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