Von der Erkenntnistheorie zur Wissenschaftstheorie

Was ist Wissenschaftstheorie?

Wissenschaftstheorie ist ein Teilbereich der Erkenntnistheorie. Sie beschäftigt sich speziell mit der Frage, in welcher Beziehung wissenschaftliche Theorien einerseits und Wahrheit andererseits stehen.

 

Als eigene philosophische Teildisziplin gibt es die Wissenschaftstheorie seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie beginnt mit Problemen in den klassischen Wissenschaften, vor allem in der Physik. Das Welle-Teilchen-Problem des Lichts, aber auch zentrale Aussagen der Relativitätstheorie (Vorstellung einer vierdimensionalen Raum-Zeit-Realität; Abhängigkeit der Zeit von der Geschwindigkeit) und Messergebnisse in der Quantenphysik werfen vollkommen neue Fragen auf. Ist man bis dahin selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode (Rationalität plus Empirie) die Wirklichkeit erkennen lasse und wissenschaftliche Theorien deshalb wahr seien, stellen sich jetzt völlig neue Fragen. Vor allem: 

  • Gibt es Objektivität, also Messergebnisse, die vom Beobachter unabhängig sind, überhaupt? (Nein, sagt spätestens die Quantenphysik)
  • Welchen Einfluss auf unsere Vorstellung von Wirklichkeit hat die Sprache? (Lingusitic Turn in der Erkenntnistheorie!!)
  • Welche Fehlerquellen können sich in wissenschaftliche Theorien einschleichen? (Mess-Fehler, Fehler in der Fragestellung, Fehler in der sprachlichen Repräsentation von Messergebnissen oder in der sprachlichen Beschreibung von Theorien, Logische Fehler und Denkfehler, Fehlschlüsse, ...)
  • Was bedeutet es zu sagen, eine wissenschaftliche Theorie sei wahr? (Wahrheitstheorien)
  • Ist Wissenschaft selbst nur ein System, sich Bilder von der Wirklichkeit zu machen, neben vielen anderen, zum Beispiel der Religion, der Kunst, hermeneutischer Methoden wie Meditation, ....? (Frage nach der Autorität von Wissenschaft; Frage nach der Beziehung zwischen wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Erkenntnis)

Wozu brauchen wir Wissenschaftstheorie?

Die (post)moderne Gesellschaft ist in unvorstellbarem Ausmaß von Wissenschaft und Technik geprägt. Wir vertrauen ständig auf die Zuverlässigkeit von Wissenschaft und Technik, egal ob wir ein Medikament zu uns nehmen, einen Fahrstuhl benutzen, den PC einschalten. Auch wenn Teilbereiche wissenschaftlicher Forschung inzwischen mit großer Skepsis gesehen werden – z B. die Atomarforschung oder die Genforschung –, genießen Wissenschaftler und Wissenschaft in unserer Gesellschaft große Autorität und großes Ansehen. Der Ausdruck „wissenschaftlich“ ist zu einem Markenzeichen geworden, gegen das Zweifler und Skeptiker argumentativ kaum eine Chance haben und das auch PolitikerInnen, Werbefachleute, ... zur Durchsetzung ihrer Interessen benutzen.  


Weniger klar ist meistens, wie eine wissenschaftliche Theorie zustande kommt, was es bedeutet, zu sagen, etwas sei wissenschaftlich erwiesen oder etwas sei wissenschaftlich überprüft. Im Rahmen einer wissenschaftstheoretischen Orientierung soll einen Überblick über Wissenschaften und ihre grundlegenden Methoden geben. (Was kennzeichnet eine Wissenschaft?) Es soll diskutieren, wie sich wissenschaftliche Methoden von anderen Methoden der Erkenntnisgewinnung unterscheiden? (Was sind wissenschaftliche Methoden?) Und es soll diskutiert werden, welchen Wahrheitsgehalt wissenschaftliche Theorien tatsächlich beanspruchen dürfen. 


Links und Quellen