Meine Werte

Ethik als "Wertelehre"

Ethik ist unter anderem die „Lehre von den Werten“. Was unter einem Wert zu verstehen ist, ist aber nicht ganz einfach zu sagen. Vielleicht könnte man „Wert“ vorerst einmal als ein Ziel definieren, an dem eine Person oder eine Personengruppe sich orientiert.

 

Jeder Mensch orientiert sich in seinem Leben an Werten. Diese Werte können von Person zu Person ziemlich unterschiedlich sein. Für den einen ist es wichtig, sich materiell etwas leisten zu können, für jemand anderen ist es wichtiger, mehr Freizeit zu haben. Nicht immer entscheiden wir uns ganz bewusst für oder gegen eine bestimmte Werthaltung. Viele Werte und Werthaltungen entwickeln oder übernehmen wir einfach, weil andere Menschen (unsere Eltern, ältere Geschwister, Freunde ... ) sie uns vermitteln und mit ihrem Verhalten vorleben. Sie erscheinen uns dann quasi selbstverständlich.  Und erst, wenn wir Menschen kennenlernen, die diese Werthaltungen nicht teilen, wird uns bewusst, dass sie nicht selbstverständlich sind.


Viele Werthaltungen übernehmen wir, weil sie in unserer Kultur wichtig sind und weil sie uns durch "die Schule", durch Medien, durch viele andere Menschen vermittelt werden. Diesen Prozess der Verinnerlichung von Einstellungen, Werthaltungen ... ist ein wichtiger Teil der Sozialisation. Sozialisation bedeutet, dass Menschen sich im Laufe ihrer Entwicklung an die Kultur, in der sie aufwachsen, anpassen. 

 

Auch ist es so, dass in einer sozialen Gruppe wie der Familie, der Schule, einer Jugendgruppe, ... einen Konsens über grundlegende Werte geben muss. Sonst werden die Konflikte zu stark und die Gruppe ist nicht mehr "funktionsfähig". Sie bricht dann auseinander. Es kommt dann z. B. zur Ehescheidung oder eine Klasse zerfällt in rivalisierende Untergruppen, die sich bekämpfen. 

 

Schließlich baut auch jede Gesellschaft (ein Staat, eine Staatengemeinschaft wie die EU) auf Werten auf. So unterschiedlich Vorstellungen im einzelnen auch sein mögen: ohne ein paar grundlegende Werte, mit denen sich die Mehrzahl der Menschen in einem Staat identifiziert, wird ein Staat kaum stabil sein können. Werte, denen sich der österreichische Staat z. B. verpflichtet fühlt und sich in seiner Verfassung bekennt, sind Demokratie, Menschenrechte, Föderalismus, Marktwirtschaft, Neutralität, soziale Hilfe, Bildung, ….

 

Andererseits gibt es über die Bedeutung einzelner Werte und die Umsetzung dieser Werte oft grundlegende Unterschiede zwischen einzelnen Interessenvertretungen und Parteien, aber auch zwischen einzelnen Menschen. So möchte die Partei X den BürgerInnen mehr Freiheit geben, indem sie die Tempolimits auf den Autobahnen lockert. Die Partei Y möchte das Tempolimit eher reduzieren, weil sie die Umweltbelastung gering halten möchte. Die Partei X ist für die Abschaffung von Studiengebühren, weil sie sie sozial ungerecht findet. Die Partei Y möchte sie beibehalten, weil sie sich so mehr „Leitungsorientierung“ verspricht.

 

Werte kann man nicht beweisen. Aber man kann Argumente finden, warum bestimmte Werte wichtig sind. Das wollen wir im Ethik-Unterricht versuchen...

individuelle Werte

Wir Menschen müssen uns mit Wertfragen auseinandersetzen, wenn wir vor Entscheidungen stehen. Je mehr Freiheit uns die Gesellschaft, in der wir leben, zugesteht, desto grundlegender und offener sind auch die Entscheidungen, die wir treffen dürfen (und teilweise auch  müssen). Und hinter diesen Entscheidungen stehen bestimmte Werthaltungen. 


Manche ExpertInnen meinen, dass die Wahl- und Entscheidungsfreiheit viele Menschen auch überfordert. Sie trauen sich dann z. B. aus Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, gar nicht mehr, sich überhaupt zu entscheiden. Oder sie wollen alles gleichzeitig und verlieren sich dann im Oberflächlichen. Oder sie machen Entscheidungen bei den ersten Herausforderungen und Schwierigkeiten (z. B. im Beruf oder im Studium) wieder rückgängig und probieren etwas anderes. Und schließlich stellen sie fest, dass sie vieles ausprobiert und nichts erreicht haben. ... 


Auch Kinder und Jugendliche müssen viele Entscheidungen treffen: Gehe ich in eine weiterführende Schule oder beginne ich eine Lehre? Wofür soll ich mein Taschengeld ausgeben? Wie soll ich meine Freizeit verbringen? Soll ich mitrauchen, wenn mir ein Kumpel eine Zigarette anbietet? Darf ich abtreiben, wenn ich ungewollt schwanger bin? Wie wichtig sind mir eine gute Figur und gutes Aussehen bei mir selbst oder bei anderen? Muss ich auch ein Markenhandy haben, wenn das in meiner Klasse in ist? Was will ich in meinem Leben erreichen: Geld und Karriere oder viel Freizeit? Muss ich den Eltern gehorchen, auch wenn ich selbst etwas nicht tun will? Soll ich in den Ferien arbeiten oder soll ich lieber die Freizeit genießen? Sollte ich möglichst gute Noten anstreben oder reicht es, wenn ich irgendwie durchkomme? 

 

A1: In der folgenden Tabelle findest du eine Auswahl dessen, was Jugendliche auf die Frage, welche Werte ihnen wichtig sind, geantwortet haben.

Lies die Tabelle durch. Suche dann für dich zirka fünf Werte, die dir wichtig sind. (Achte darauf, dass auch Werte darunter sind, die nicht alle Jugendlichen teilen). Überlege, woher du diese Werte hast und wie du zu ihnen gekommen bist. Überlege, wie diese Werte dein bisheriges Leben beeinflusst haben, dein gegenwärtiges Leben beeinflussten und wie sie wahrscheinlich dein zukünftiges Leben beeinflussen werden. Gestalte dazu ein Blatt. 

Überlege auch, welche Werte für dich und dein Leben keine Rolle spielen. Beschreibe kurz, warum und inwiefern. 

Wertvorstellungen Jugendlicher

Eine gutaussehende Freundin / ein attraktiver Freud; ein schnelles Auto; eine schöne Wohnung; viel Freizeit; gleichgesinnte Freunde; Freiheit/niemand redet mir in mein Leben drein;  Friede; ein guter Beruf; dass ich mich gegen andere durchsetzen kann; ausgehen; chillen; Fußball spielen; Klettern; die Natur; dass mich die anderen respektieren; gutes Essen; Tiere; meine Familie; reisen; lang schlafen; Menschen, mit denen man offen und ehrlich reden kann; viel Taschengeld; ein eigenes Moped; Führerschein mit 17; Höflichkeit; Religion, Glaube, Gott; Lesen; Fernsehen; Computerspiele; Konzerte; Musikinstrument spielen; Zeichnen; gute Beziehung zu den Eltern; schicke Klamotten; Karriere im Beruf; später Familie und eigene Kinder; an einer Europameisterschaft teilnehmen; gute Noten im Zeugnis; gute Noten bei der Matura: gutes Klassenklima; von den MitschülerInnen akzeptiert werden; eine schönere Schule; Umwelt- und Tierschutz; kein Krieg; keine Arbeitslosigkeit; ....

kollektive Werte

Aber auch Kollektive (lat.: colligere = zusammensuchen; Kollektiv = Gemeinschaft; z. B. Staat) müssen sich mit Wertfragen auseinandersetzen; zum Beispiel wenn es um gesetzliche Regelungen, an die sich alle halten müssen, geht. Immer wieder gibt es in Gesellschaften Debatten und Diskussionen, in denen es (auch) um Wertfragen und Werthaltungen geht. 


Politische Parteien unterscheiden sich (mindestens in Teilbereichen) im Hinblick auf ihre grundlegenden Werthaltungen. Dabei geht es um die Frage, welche Werte sie sehr stark in den Mittelpunkt stellen. Diese zentralen Werte sind dann z. B. im Kern der jeweiligen Parteiprogrammen. Und sie beeinflussen die politischen Ziele, die eine Partei anstrebt. So gibt es Parteien, für die die individuelle Freiheit der Menschen ganz stark im Zentrum steht. Diese Parteien finden dann, "der Staat" solle sich mit gesetzlichen Regelungen und Beschränkungen möglichst zurückhalten und möglichst wenig gesetzlich verbieten. Wenn es um wirtschaftliche Fragen geht, spricht man von Wirtschaftsliberalismus. Wenn es um Drogenfreigabe oder freie Regelungen in der Fortpflanzungsmedizin oder im Familienrecht geht, von gesellschaftlichem Liberalismus. (In beiden Begriffen steckt das lateinische "libertas" = Freiheit). Sozialistische oder Sozialdemokratische Parteien haben das zentrale Ziel, einen sozialen Ausgleich zwischen wohlhabenden gesellschaftlichen Gruppen (Gutverdiener, Vermögende, Millionäre) und ärmeren Menschen durchzusetzen. Grüne Parteien, die in den 80er-Jahren des 20. Jahrhundertes entstehen, stellen traditionellerweise den Wert Umwelt und den Wert Frieden in den Mittelpunkt. Konservative Parteien verteidigen oft traditionelle Formen z. B. von Familie und Bildung. ... Nationalistische Parteien setzen vor allem auf den Wert der Nation (den sie oft mit einer bestimmten Sprachgruppe oder Kultur gleichsetzen) in den Mittelpunkt. Sie argumentieren oft gegen Einwanderung und "Multikulti". Junge Parteien (Piraten, Neos) gehen teilweise wiederum von anderen Grunderfahrungen und anderen Werten aus. 


Politische Debatten, die derzeit in Österreich laufen und einen Werte-Hintergrund haben, sind z. B. 


  • Sollen wir die "gemeinsame Schule der 10- bis 14-jährigen" einführen? Oder sollen wir beim zweigliedrigen Schulsystem (Neue Mittelschule <--> Gymnasium-Unterstufe) bleiben?


  • Soll Österreich die politische / militärische Neutralität beibehalten? Oder ist die Neutralität überholt?

  • Sollen wir neue Steuern für Reiche einführen? ("Millionärssteuer", Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer)? Oder "bestrafen" wir damit "Leistungsträger"?

  • Sollen wir ein "Grundeinkommen für alle" einführen? Oder würde das die Leistungsbereitschaft der Menschen unterlaufen und die Menschen verführen, es sich "in der sozialen Hängematte bequem zu machen?"

  • Soll der Staat die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf unterstützen (Kindergartenplätze, Ganztagsschule)? Oder sollte der Staat eher unterstützen, dass Mütter länger bei ihren kleinen Kindern bleiben können?

  • Sollte der Staat derzeit illegale Suchtmittel ("weiche Drogen") freigeben?

  • Sollte der Staat "andere Familienformen" (z. B. Regenbogen-Familien, Patchwork-Familien) rechtlich besser schüzten / stärker anerkennen? 

  • Sollte das Rauchen in Gaststätten / im öffentlichen Raum stärker verboten werden?

  • Sollte es (strengere / mehr) Aufnahmeprüfungen für Universitäten geben? 

  • Sollten wir ein offeneres / liberaleres Asylrecht haben und mehr Menschen in Österreich Asyl gewähren?
  • ...

A2: Suche ein Thema aus, das dich interessiert / das du wichtig findest. Überlege, welche Position du selber einnehmen würdest und wie du deine Position begründest. Frage deine MitschülerInnen, andere Jugendliche und einige Erwachsene nach ihrer Meinung / ihrer Position und bitte sie um ein kurzes Statement / eine kurze Begründung. Stelle die Meinungen / Ansichten einander gegenüber (Pro/Kontra-Struktur). Erkundige dich, welche Haltung unterschiedliche Parteien einnehmen. (Das Ganze lässt sich auch als Gruppenarbeit machen)


A3: besuche die Webseiten unterschiedlicher politischer Parteien und schau, ob und inwiefern du auf diesen Seiten ein Bekenntnis zu bestimmten Werten / Werthaltungen finden kannst. Suche einige Werte aus, die dir "ins Auge steche". Überlege, was das für die politischen Ziele heißt. (Beachte, dass du eventuell auf der Startseite nichts Ideales findest und noch ein bisschen weiterklicken musst)

SPÖ: offizielle Webseite

ÖVP: offizielle Webseite

FPÖ: offizielle Webseite

Grüne: offizielle Webseite

Neos: offizielle Webseite

Team Stronach: offizielle Webseite