Grundlegende Erkenntnisse der Motivationspsychologie

Manche Menchen sammeln Objekte, die keinen Nutzen haben. Teilweise geben sie viel Geld dafür aus. Die Anordnung und Pflege der gesammelten Objekte nimmt viel Zeit in Anspruch. Was ist die Motivation?
Manche Menchen sammeln Objekte, die keinen Nutzen haben. Teilweise geben sie viel Geld dafür aus. Die Anordnung und Pflege der gesammelten Objekte nimmt viel Zeit in Anspruch. Was ist die Motivation?

Erkenntnis 1: Motivation ist der Schlüssel zum Verständnis des menschlichen Verhaltens:

Menschliches Verhalten lässt sich oft erst dann verstehen, wenn wir wissen, welche Motive und welche Motivationskonflikte diesem Verhalten zugrunde liegen. Beispielsweise erscheint es uns irrational, wenn ein Mensch in seiner Wohnung lauter wertlose Gegenstände anhäuft und nicht in der Lage ist, etwas davon wegzuwerfen. Vor allem, weil dieser Mensch im Extremfall so seine Wohn- und Lebensqualität verliert und einen großen Teil seines Lebens damit verbringt, im Chaos die Ordnung und den Überblick nicht vollkommen zu verlieren. Das Verhalten erscheint völlig irrational.

 

Wenn wir aber verstehen, dass die entsprechende Person in großer Armut aufgewachsen ist und in einer unbewussten Sorge lebt, irgendwann wieder einmal mit diesem Mangel konfrontiert zu sein, erscheint das Verhalten zumindest nachvollziehbar.

 

Erkenntnis 2: Motive sind unmittelbar an Zielsetzungen geknüpft. Motive sind immer an Ziele geknüpft. Diese Ziele können groß oder klein sein. Sie können in naher Zukunft oder in weiter Ferne liegen. Sie können uns bewusst sein. Sie können uns aber auch gar nicht als solche bewusst werden, vielleicht weil wir sie unreflektiert aus unserer Sozialisation übernommen haben. Vielleicht weil sie konfliktbehaftete irrationale verdrängte Anteile beinhalten. Bei unserem Sammler-Beispiel könnte ein Ziel sein, möglichst viele Informationen zu einem Thema, das ihm wichtig erscheint, zu sammeln. Oder Arbeiten möglichst genau zu erledigen, was so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass keine Zeit zum Aussortieren bleibt. Oder nichts Wichtiges zu übersehen. Oder ein perfektes Ordnungs- und Ablagesystem zu finden und bis dahin lieber nichts zu unternehmen. ...

Manche Menschen sammeln Bücher, Zeitschriften, Zeitungsartikel, Notizen, ... und verlieren so den Überblick.
Manche Menschen sammeln Bücher, Zeitschriften, Zeitungsartikel, Notizen, ... und verlieren so den Überblick.

Erkenntnis 3: Die Art der Motivation entscheidet oft über Erfolg und Misserfolg Wenn Menschen Ziele nicht erreichen, liegt das oft auch daran, dass ihnen ihre eigene Motivation im Weg steht. Ein häufiges Beispiel ist, dass jemand "fremde" Ziele übernimmt, ohne sie für sich selbst wirklich zu reflektieren. Ein anderes Beispiel ist, dass sich jemand ein großes Ziel setzt, sich aber nicht überlegt, mit welchen Zwischenschritten er seinem Ziel schrittweise näherkommen könnte. In unserem "Schreibtisch-Beispiel" wäre das Ziel dann ein perfekt aufgeräumtes Büro mit einem perfekten Ablagesystem. Aber es gibt keine Zwischenschritte zwischen dem momentanen Mega-Chaos und dem Fernziel, die die erste Etappen zum Ziel sein könnten. Und so ändert sich nichts. In der Fachsprache gibt es für dieses weit verbreitete Phänomen (nicht nur im Hinblick auf unaufgeräumte Büros und Schreibtische) den interessanten Begriff Prokrastination.

Erkenntnis 4: Die Art, wie Menschen mit Frustrationen umgehen (Frustrations-potential), entscheidet über Erfolg und Misserfolg A. hat sich endlich entschlossen, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Sie möchte regelmäßig Ausdauer-Sport betreiben und einen Marathon laufen. Wie in einschlägigen Internetforen und Zeitschriften empfohlen, macht sie sich einen Trainingsplan. Sie kauft ein neue Sportausrüstung samt Fitness-Armand und High-Tech-Laufschuhen. Sie liest mit großer Begeisterung dreieinhalb Laufbücher. Und sie meldet sich in einer Lauf-Online-Community an. Sie läuft los. Sie merkt, dass ihre Kondition sich verbessert. Sie fühlt sich topfit. Sie merkt, dass sie ein paar Kilo verloren hat. Und dann verknackst sie sich den Fuß. Sie kann bis auf weiteres kaum mehr gehen. Vom Laufen gar nicht zu reden. Und den angestrebten Marathon kann sie vergessen...

 

An dieser Stelle entscheidet sich, was aus A.s ambitioniertem Ziel, regelmäßig Sport zu betreiben, wird. Vielleicht wird sie - weil die Anfangseuphorie jäh unterbrochen worden ist - in ihre frühere Alltagsroutine mit Fernsehabenden und Fortgeh-Wochenenden zurückfallen. Vielleicht wird sie diese Frustrationsphase aber auch durchtauchen, ihr Ziel vielleicht reflektieren und etwas realistischer gestalten, und nach einigen Wochen wieder mit dem Laufen beginnen ...

 

Wenn Menschen an ihren Zielen scheitern, hat das häufig damit zu tun, dass sie nicht gelernt haben, mit Frustrationen angemessen umzugehen. Sie geben auf, wenn die ersten Schwierigkeiten auftauchen, anstatt dass sie diese Herausforderung annehmen würden. Frustrationen können tatsächlich helfen, ein Ziel neu zu überprüfen und sich zu fragen, ob es sich wirklich lohnt, für dieses Ziel zu kämpfen. Wer eine Frustrationsphase "durchtaucht", kann dadurch sogar profitieren. Im Einzelfall kann es durchaus einmal Sinn machen, ein Ziel auch aufzugeben und durch ein anderes zu ersetzen. Menschen, die dies aber ständig machen, erreichen meistens nicht viel, weil sie alles ausprobieren und bei den ersten Schwierigkeiten gleich wieder aufgeben. Erfolgreiche Menschen sind meistens Menschen, die gelernt haben, Fehlschläge zu überwinden und "schwere Phasen" durchzutauchen. Sie haben gelernt, ihre Ziele ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten anzupassen (wodurch sie sich die eine oder andere Frustration ersparen). Sie haben gelernt, dass sie Fehler machen dürfen und dass sie aus Fehlern für die Zukunft lernen können. Sie haben gelernt, ein großes Ziel in viele kleine Schritte zu zerlegen und beides im Auge zu behalten

Grundlegende Motivations-Formen

Auch die Art der Motivation entscheidet mit darüber, ob ein Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht wird oder nicht. PsychlogInnen unterscheiden meistens zwischen vier Grunddimensionen der Motivation:

 

Intrinsische oder extrinsische Motivation

Extrinsische Motivation ist von außen kommende Motivation. Sie hat mit dem Ziel selbst inhaltlich nichts zu tun und ist von ihm vollkommen unabhängig. Beispiele für extrinsische Motivation einer Arbeit nachzugehen wären beispielsweise ein hohes Gehalt oder eines hohes soziales Prestige, das mit der Arbeit verbunden ist. Beispiele für extrinsische Motivation zu lernen wären beispielsweise eine gute Note, eine von den Eltern versprochene materielle Belohnung u. ä. Intrinsische Motivation ist von innen kommende Motivation. Sie hat unmittelbar etwas mit dem Ziel, das ich anstrebe, zu tun. Klassische Beispiele für intrinsische Motivation sind Neugierde oder Interesse oder der Wunsch, eine Antwort auf eine Frage zu finden.

 

Untersuchungen haben gezeigt, dass intrinsische Motivation stärker als extrinsische wirkt. Beispielsweise "verpufft" der motivierende Effekt einer Gehaltserhöhung sehr schnell, weil ich mich an das neue Gehaltsniveau sehr schnell gewöhne. Ich bräuchte dann gleich die nächste Prämie, damit ich wieder motiviert wäre. Für eine Arbeit, die mich interessiert und mit der ich mich identifiziere, kann ich mich immer wieder aufs Neue begeistern. Für ein Schulfach, das mich nicht interessiert, zu lernen, fällt meistens viel schwerer als für ein Fach, für das ich Interesse mitbringe. Ein interessantes Fach macht selbst dann Spaß, wenn der Unterricht nicht ideal ist, wenn die Lehrperson "schwierig" ist, wenn ich einmal eine schlechte Note schreibe ...

Die innere (intrinsische) Motivation macht diese "Frustrationsquellen" wett.

 

Positive oder Negative Motivation

Positive Motivation zielt auf die Erreichung eines erwünschten Zustandes ab. Negative Motivation ist auf die Vermeidung eines unerwünschten Zustandes ausgerichtet. (Sie hat also nichts mit "negativ" im klassischen Sinn zu tun). Oft ist es einfach eine Frage der Perspektive, ob jemand positiv oder negativ motiviert ist. Der Sachverhalt bleibt jeweils derselbe.

 

B. möchte beispielsweise mit dem Rauchen aufhören, weil er keinen Lungenkrebs bekommen möchte und weil er nicht mehr schief angeschaut werden möchte, wenn er als einziger in seinem Team vor die Tür geht, um zu rauchen. A. möchte mit dem Rauchen aufhören, weil er sich darauf freut, wieder besser zu riechen, mehr Geld für sein Hobby zu haben, eine bessere Kondition für seinen Sport zu haben. B. hat statistisch gesehen schlechtere Karten es zu schaffen als A. Der Grund ist, dass negative Bilder (Lungenkrebs, soziale Ächtung, ...) eher lähmen als motivieren. Wir tendieren dazu, sie aus dem Bewusstsein auszublenden. Die abschreckenden Bilder auf den Zigaretten-Schachteln verhindern möglicherweise, dass Nicht-RaucherInnen mit dem Rauchen beginnen. Rauchende Menschen erreichen sie eher nicht. Denn diese blenden Warn-Bilder einfach aus (wenn sie sie nicht ohnehin mit einer Schleife überdecken). Erklären lässt sich diese mit der Theorie der kognitiven Dissonanz: Wenn wir mit zwei logisch widersprüchlichen Informationen konfrontiert sind - "Ich rauche" versus "Rauchen ist gesundheitsschädlich und verursacht Krebs" - blende ich die schwächere einfach aus oder deute sie um.

 

Kurzfristige versus langfristige Motivation

Anna weiß mit 14, dass sie mit 28 ein Medizinstudium abgeschlossen haben will. Peter weiß mit 15, dass er mit 25 Profi-Fußballer sein und in der Nationalliga spielen möchte. Beide haben sehr langfristige Zielsetzungen. Das ist kein Problem, wenn sie auch entsprechende kurzfristigere Teilziele haben. Wenn es aber nur das eine große Ziel gibt und alles andere nur "notwendiges Mittel zum Zweck ist", ist das nicht ideal. Denn in der Zeit bis zur Verwirklichung des großen Ziels lauern viele Frustrationsfallen. Die Gefahr, bei Schwierigkeiten aufzugeben, ist sehr hoch. Große langfristige Ziele sollten deshalb unbedingt durch kurzfristige Teilziele unterteilt werden, die in absehbarer Zeit erreichbar sind. So nach dem Prinzip: "Wer einen hohen Berg besteigen möchte, muss mit dem ersten Schritt beginnen" Und er muss die Strecke in Etappen unterteilen und sich auf die jeweils nächste Teiletappe konzentrieren, wenn er sein Ziel erreichen möchte.

 

Bewusste oder unbewusste Motivation

Neben der bewussten Motivation, also den Zielsetzungen, die ich ganz bewusst und überlegt treffe und über die mir selber klar sind, sind Menschen in ihrem Handeln auch von einer Fülle nur teilweise bewusster oder sogar unbewusster Motive mitbeeinflusst. Diese prägen ihr Verhalten, ohne dass ihnen dies selbst bewusst wird. Die Analytische Psychologie nach C.G. Jung prägt für dieses Phänomen den Begriff des Schattens.

 

Weil uns ein Teil unsere Motive nicht bewusst ist, scheitern wir manchmal. Unsere unbewussten Motive torpedieren sozusagen die Motive, die wir kennen und zu denen wir selbst Zugang haben. Teilweise erklärt diese Tatsache, warum uns Verhaltensänderungen, obwohl wir sie uns wünschen, teilweise so schwer fallen. Beispielsweise will Kurt auf der bewussten Motivations-Ebene endlich die Diplomarbeit fertig stellen und das Studium abschließen. 'Auf einer unbewussten Motivations-Ebene hat er aber Angst davor, dann ökonomisch für sich selbst verantwortlich zu sein und sich im Beruf durchsetzen zu müssen. Und genau das traut er sich nicht wirklich zu.

 

Unbewusste Motivation lässt sich im Bereich der Psychopathologie sehr gut zeigen. So sind fast alle Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, oft durch eine unbewusste Gegen-Motivation beeinflusst. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen Krankheitsgewinn. Bewusst haben betroffene Menschen das Ziel, die Krankheit zu überwinden und gesund zu werden. Unbewusst hält ein Teil ihrer Persönlichkeit an der Erkrankung gewissermaßen fest, weil der erkrankte Mensch von ihr "profitiert". So kann ein unbewusster Motivations-Anteil an einer Depression darin bestehen, den Partner oder die Kinder an sich zu binden (Einen schwer depressiven Menschen kann man doch nicht "im Stich lassen".) oder Entlastung zu erfahren (Ein kranker Mensch muss nicht immer perfekt funktionieren und an seine Leistungsgrenzen gehen) oder Aufmerksamkeit zu bekommen. Solange die unbewussten Motive, die die Zielerreichung blockieren, nicht bearbeitet sind, wird eine Heilung nur schwer möglich sein.

 


Arbeitsaufgaben

A1: Fasse die zentralen Erkenntisse der Motivationsforschung (unterschiedliche Motivationsformen; Einfluss von Motivation) in einem Mindmap zusammen. Suche nach eigenen Beispielen für die theoretischen Punkte


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