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Ein Ausflug in die Geschichte ...

Lebewesen müssen konsumieren. Wir brauchen Nahrungsmittel, um zu überleben. Wir brauchen Kleidung, um uns vor Kälte oder Hitze zu schützen. Wir brauchen "ein Dach über dem Kopf". Wir brauchen Haushaltsgeräte, um unsere Wäschen sauber zu halten und um unsere Nahrungsmittel zuzubereiten. 

 

Aber wir leben heute auch in einer Welt, in der wir es gewohnt sind, wesentlich mehr zu konsumieren, als wir zum Überleben brauchen würden. In den meisten Haushalten gibt es heute mindestens ein Fernsehgerät samt DVD-Player, mindestens einen PC, eine Stereoanlage, Teppiche, mindestens einen PKW, mehrere Fahrräder und noch viel mehr. Sportgeräte wie Ski, Snowboard, Tennisschläger uam. scheinen absolut notwendig. In den Kleiderschränken gibt es nicht eine Jacke, sondern fünf, nicht zwei Pullover, sondern zehn, nicht drei Hosen, sondern 12. Und viele haben zu jeder Garderobe auch das passende Paar Schuhe. 

 

Aber wir konsumieren nicht nur materielle Güter, sondern auch Dienstleistungen: Wir gehen zum Frisör, zur Kosmetikerin, zur Mathe-Nachhilfe, ins Fitness-Center und in die Sauna, in den Yoga-Kurs und zur Lebensberatung. Die Freizeit verbringen wir gerne in Funparks oder in Restaurants oder Bars, wo wir fertig zubereitete Speisen oder Getränke konsumieren. Oder wir konsumieren Musik oder Filme mithilfe unserer Notebooks. 

 

Ohne Konsum läuft (fast) nichts. Vielen Menschen ist langweilig, wenn sie einmal nicht konsumieren können. Und die Wirtschaft würde in ernste Schwierigkeiten geraten, wenn die Menschen aufhören würden, so viel zu konsumieren, wie sie das derzeit tun. 

 

Es fällt uns heute schwer, uns vorzustellen, wie es wäre, in einer Welt zu leben, in der Konsumgüter nicht in der heutigen Fülle zur Verfügung stehen. Und dennoch können wir (das heißt: eine breite Bevölkerungsschicht) uns diesen Lebensstil erst seit wenigen Jahrzehnten leisten. 

 

Eine Konsumkultur, wie wir sie heute kennen, hat sich  in den reichen Ländern Europas, Asiens und Amerikas seit ungefähr 250 Jahren entwickelt. Eine Massenkonsumkultur gibt es in Österreich oder Deutschland vielleicht seit 50 Jahren, also seit dem so genannten Wirtschaftwswunder der 50er-Jahre. Das zeigt ein Blick in die Geschichte. 

 

Im 18. Jahrhundert sind die meisten Menschen froh, wenn sie das für das Leben unbedingt notwendige zur Verfügung haben. Die meisten Menschen leben von dem, was sie selbst herstellen. Was sie sonst noch brauchen, erwerben sie auf Wochen- oder Jahrmärkten. Die Produkte, die sie kaufen, kommen aus der unmittelbaren Umgebung. Feine Gewürze, erlesene Stoffe oder edler Schmuck liegen für die meisten sowieso außerhalb ihrer Träume. Solche Luxusgüter können sich nur Adelige leisten. Sie sind finanziell in der Lage ihre Sehnsucht nach schönen Dingen und Annehmlichkeiten zu stillen und legen Wert auf standesgemäße Kleidung, Essen und Trinken. Der Adel pflegt den Prestigekonsum nach dem Motto: "Sag' mir was du isst, und ich sage Dir, wer du bist." Mit der stärker werdenden Emanzipation des Bürgertums und der damit verbundenen wachsenden Kaufkraft sind Prestigeobjekte nicht mehr allein dem Adel vorbehalten. Auch den Bürgern werden Lebensmittel und Getränke zum Hervorheben ihres Standes wichtig, ebenso Einrichtungsgegenstände und Kleidung. Jetzt wird nicht mehr für den Bedarf konsumiert, sondern für den Wunsch, etwas zu besitzen und darzustellen.

 

Im 18. Jahrhundert beginnt in Großbritannien die Entwicklung unserer heutigen Konsumgesellschaft. Die aufblühende Industrie des Landes schafft Arbeitsplätze. Die Städte wachsen und es entsteht eine neue Gesellschaftsschicht. Die Arbeiter und Handwerker verfügen über mehr Geld als früher. Die landwirtschaftlichen Betriebe florieren und steigern ihre Erträge. Mit wachsender Kaufkraft steigt auch die Nachfrage nach Massenverbrauchsgütern wie Schnaps, Bier, Talg, Seife und schöner Kleidung. Der Tee-Konsum wächst enorm. Es muss deutlich mehr Tee importiert werden als noch einige Jahrzehnte zuvor. Die ersten Massenprodukte kommen auf den Markt, zum Beispiel Baumwollkleidung. Sie wird in Indien hergestellt, ist kreativer, bunter und preiswerter. Aber sie wird auch schneller kaputt. Das hat den Vorteil, dass man sie nicht mehr "lebenslänglich" tragen und womöglich noch an andere weitervererben muss. Man kann sie wegwerfen und durch neue Kleidungsstücke ersetzen. Damit ist der Weg frei für die Entstehung der Mode. Die Modebranche achtet darauf, dass Kleidung "aus der Mode kommt", weil sich die Farben oder die Muster ändern. Wer "up-to-date" sein will, muss also auch Kleidung ausmustern, die noch durchaus tragbar wäre. So können mehr Kleidungsstücke verkauft werden, als eigentlich benötigt würden. Das kurbelt die Textilindustrie und den Handel an und schafft Arbeitsplätze. Unterstützt wird diese Entwicklung durch erste Ansätze von Werbung und durch Modejournale, die Trends setzen.  

 

Auch andere Länder wie Frankreich, Deutschland oder Holland werden schon bald von der Konsumrevolution eingeholt und entwickeln sich ähnlich wie Großbritannien.

 

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden Modejournale und Werbung immer wichtiger, weil sie Konsumbedürfnisse wecken, indem sie die Menschen auf Konsumgüter aufmerksam machen, die diese bisher nicht gekannt haben. Und nur, wer weiß, dass es neue Produkte überhaupt gibt und darüber informiert wird, welche Vorteile diese Produkte haben, entwickelt auch das Bedürfnis, diese Produkte zu besitzen. Mitte des 19. Jahrhunderts wird Werbung zur Steigerung des Absatzes immer wichtiger. War früher der Marktausrufer Medium für Werbung, so wird jetzt verstärkt annonciert und plakatiert. 1855 wird in Berlin die erste Litfasssäule aufgestellt, die auf engstem Raum viel Platz für Werbung bietet.

 

Die Anzeigen sind anfangs aber noch ziemlich textreich und optisch wenig ansprechend. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden auch die Produkte und deren Anwendungsformen abgebildet. Die Werbegrafik entwickelt sich immer weiter. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden Werbebotschaften schon auf simple Symbole reduziert. Zum Beispiel steht für die Marke Manoli-Zigaretten ein einfacher Kreis mit einem M in der Mitte. Nicht nur die Werbung in Zeitschriften und Zeitungen entwickelt sich weiter, auch die Gestaltung der Schaufenster gewinnt an Bedeutung. Die Waren werden raffinierter angeboten und Werbung prägt immer stärker das Straßenbild großer Städte. Die ersten Werbefachzeitschriften entstehen zu dieser Zeit und der Beruf des Schaufenstergestalters wird geboren. Dem Konsum ist spätestens jetzt nicht mehr zu entrinnen.

 

Ende des 19. Jahrhunderts entstehen die ersten großen Kaufhäuser. Karstadt, Althoff und Tietz bauen "Konsumpaläste" in Berlin, Hamburg und anderen großen Städten Deutschlands. Das Einkaufen wird zum Freizeiterlebnis - das "Shoppen" zur Mode. Hier wird nicht wie bisher auf dem Markt gehandelt, sondern es gibt feste Preise und die Ware muss bar bezahlt werden. Die Wünsche der Konsumenten wachsen natürlich mit dem größer werdenden Angebot, was den Geldbeutel ganz schön strapazieren kann. Mit der Zeit etabliert sich die Kleinkredit-Wirtschaft, die Verschuldung der Bevölkerung steigt an. Die Konsumlust bringt auch die ersten Vorläufer der Kaufsucht hervor und macht sich durch die wachsende Zahl von Kleptomanen bemerkbar.

 

Nach dem Ersten Weltkrieg, der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre und dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich der Konsum zu dem, was wir heute kennen: dem Massenkonsum. Immer mehr, immer schöner, immer besser muss es sein. Nach den langen Jahren des Verzichts ist Konsumieren fast schon zum Grundbedürfnis geworden. Mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg kommt die Zeit des Wirtschaftswunders. Der Fernseher, das Auto, die Italienreise - das alles will und muss fast jeder einfach haben. Perlonstrümpfe und elektrische Kühlschränke sind nicht mehr Luxus, sondern Massenware. Internationale Produkte wie Coca Cola erobern den Markt. Damit beginnt in den 50er Jahren auch die Globalisierung des Konsums.

 

Mit Riesenschritten entwickelt sich die Geschichte des Konsums bis heute weiter. Tiefkühlprodukte werden zur Normalität in deutschen Haushalten. Zu finden sind sie in den neuen Supermärkten, wo sich die Kunden zu Beginn erst an die Selbstbedienung gewöhnen müssen. Der Herr des Hauses rasiert sich nicht mehr nass, sondern mit seinem neuen elektrischen Rasierer. Der Elektrogerätemarkt boomt. Es gibt kaum einen Haushalt, in dem ab den 60er Jahren elektrische Helfer den Alltag der modernen Hausfrau nicht erleichtern. Gedanken zum damit verbundenen Massenverbrauch kostbarer Rohstoffe und Energieträger kommen erst später. Seit den 70er-Jahren gelten Wegwerf-Produkte von der Wegwerf-Windel über den Einweg-Rasierer bis zum Wegwerf-Kuli oder Einweg-Feuerzeug, die nach kurzem Konsum entsorgt und durch neue ersetzt werden, als Fortschritt:  Die Einkaufswagen quellen ebenso über wie dei Müllcontainer.  Immer mehr Produkte gehören - so suggeriert die Werbung  - zu einem modernen Lebensstil und signalisieren Status, Erfolg und Glück. 

 

Die Zeit seit den 80er Jahren steht im Zeichen des schnellen Konsums. "Lieber heute konsumieren, denn wer weiß, was morgen ist", scheint der Wahlspruch  zu sein. Schönheit und Reichtum sind für viele das angestrebte Ziel. Markenklamotten werden für viele zu einem Muss. Die Yuppie-Generation entsteht zu dieser Zeit.

 

Konsumieren wird im Laufe der Zeit immer leichter. Durch die Möglichkeit im Internet zu shoppen, müssen wir am Abend und am Wochenende nicht mehr zwangsläufig eine mehr oder weniger konsumfreie Zeit in Kauf nehmen. Wir können rund um die Uhr shoppen. Durch Konsumkredite und Kreditkarten müssen wir nicht mehr zuerst sparen, bevor wir uns etwas leisten können. Wir können einfach unseren Kreditrahmen ausschöpfen und - wenn das nicht mehr reicht - einen Konsumkredit aufnehmen. 

 

Gleichzeitig entwickelt sich aber auch eine Gegenströmung, denn seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts wird immer mehr Menschen klar, dass die Rohstoffe begrenzt sind, dass das Erdöl in absehbarer Zeit einmal zu Ende gehen wird, dass übertriebener Konsum zur Zerstörung der Umwelt beiträgt, dass Fleisch unter anderem deshalb so billig ist, weil die Tiere in Massenbetrieben unter tierquälerischen Bedingungen gehalten werden, dass Kleidung so billig ist, weil dafür in anderen Teilen der Welt Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten und dabei kaum das Überlebensnotewendige verdienen. 

 

(Text zusammengestellt in Anlehnung an
 http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/wirtschaft_und_finanzen/konsum/index.jsp)

 

 


Arbeitsaufgaben

  1. Suche im Text nach einem Satz, der dir wichtig erscheint. Erkläre, was dieser Satz deiner Meinung nach bedeutet und welche Bedeutung er im Hinblick auf unserem Umgang mit Konsum hat. 
  2. Der Text beschreibt die Entwicklung von einer so genannten Subsistenz-Gesellschaft, in der allenfalls die Grundbedürfnisse befriedigt werden konnten, zu einer Konsumgesellschaft, in der es mehr Konsumgüter gibt, als Menschen wirklich benötigen. Was sind wichtige Entwicklungsschritte in diese Richtung? Wodurch sind diese Entwicklungsschritte verursacht oder zumindest ermöglicht worden? Gestalte zu dieser Fragestellung eine Zeitleiste oder ein Mindmap. 
  3. Überlege, wie sich durch die "Erfindung" der folgenden Konsumgüter das Konsumverhalten, aber auch das Leben der Menschen verändert hat. Was ist positiv an der jeweiligen Erfindung? Was sind ev. problematische Aspekte? 
    Motorisierung; Individualverkehr; PKW
    Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Kühlschrank, Staubsauger, Geschirrspüler, Mikrowellenherd, ...
    Unterhatlungselektronik (Radio. Fernseher, Stereoanlage, ...)
    Mode
    Computertechnologie, PC, Notebook, Tablet-PC
    Telefon, Handy, Smartphone
  4. Wenn wir davon ausgehen, dass wir heute in einer stark konsumorientierten Gesellschaft leben: Was sind dafür Indizien und Hinweise? Wie ließe sich diese These belegen / begründen. 
  5. Wenn wir davon ausgehen, dass es immer mehr Menschen gibt, die eine konsum-kritische Denkweise entwickeln. Was sind dafür Hinweise? Welche Gründe für einen kritischen Blick auf die moderne Konsumwelt könnten diese Menschen anführen?
  6. In der Forschung unterscheidet man häufig zwischen Konsumgütern, die Grundbedürfnisse sichern, Konsumgütern, die Kulturbedürfnisse sichern, und Konsumgütern, die Luxisbedürfnisse sichern. Denke an Konsumgüter, die du selbst besitzt / die es in deiner Famiie gibt: Welche Güter würdest du in welche Kategorie einordnen. Warum? Gestalte dazu eine Tabelle.