Was bedeutet "Menschenwürde"?

„Menschenwürde“ ist als einziges Menschenrecht als absolutes, unveräußerliches, unteilbares Menschenrecht denkbar. Der Begriff ersetzt das ältere Konzept der Ehre. 

 

Ehre

Menschenwürde

·         „Ehrenbürger“; „Honoratioren“; „Ehrenamt“; „ehrenvoll“, jd. „entehren“, die Ehre verlieren; es geht um die Ehre; …


·         V. a. im militärischen Kontext (Leutnant Gustl, Duell als Privileg, eigenes Militärrecht, …)

 

·         an bestimmte Voraussetzungen (Stand, Verdienst, …) gebunden

·         nur bestimmte Menschen haben das Privileg der Ehre (Stand, Militär, …)

·         mit Rechten / Privilegien und Pflichten verbunden

·         kann verloren gehen (z. B. durch Fehlverhalten)

 



 

·         individuelle Ehre çè Familienehre in sehr patriarchalen Gesellschaften

 

 

 

 

 

 


 

 

·         voraussetzungslos; muss und kann  nicht verliehen werden

·         alle Menschen haben Menschenwürde

 

·         mit Rechten verbunden; Verpflichtungen ergeben sich keine

·         kann nicht verloren gehen; auch nicht durch Fehlverhalten (z. B. Diskussion um die Todesstrafe für Kinderschänder Dutroix // Saddam Hussein // …)



·         immer individuell und an das Konzept des Individuums gebunden

Inhaltliche Definitionen des Begriffs "Menschenwürde"

Inhalt 1: absolute Unverletzbarkeit der psychischen und physischen Integrität (= "Ganzheit") eines Menschen --> absolutes Verbot, einen Menschen physisch oder psychisch zu verletzen / zu schädigen (Folterverbot, Recht auf Privatsphäre, Recht auf soziale Kontakte, Recht auf respektvolle Behandlung, …)

 

 

Inhalt 2: Verbot, einen Menschen (vorwiegend // ausschließlich) als Mittel zum Zweck zu benutzen --> Verbot, menschliches Leben // fundamentale menschliche Interessen einer Güterabwägung zu unterwerfen (Beispiele: Fall Daschner; Folter, um Menschenleben zu retten; Frage, wie mit schwer behinderten / alten Menschen umgegangen werden muss und was „Pflege kosten darf“; PID; embryonale Stammzellenforschung; …)

Bedeutung und Diskussion

  • "Würde"! als Begriff, der die europäische Idee eines Individuums (Mensch als einzigartiges, "unteilbares" Wesen) voraussetzt. Diese Idee ist erst im Laufe de Geschichet (Aufklärung, Romantik) in der heutigen Form entstanden; andere Kulturen kennen diesen Begriff des Individuums in der Form nicht

    Problem:
    europäische Idee des Individuums <--> Universalitätsanspruch von Menschenwürde: impliziert absoluten Vorrang des Individuums vor der Gemeinschaft; diese Betonung des einzelnen Menschen ist eine europäische Idee, die in vielen Gesellschaften (Asien, Afrika) nicht in der Form verwurzelt ist; in diesen Kulturen wäre Würde eher als sozialer denn ein individueller Begriff; er wäre näher am "alten" Begriff der Ehre

  • Frage, ob Todesstrafe prinzipiell dem Konzept der Menschenwürde widerspricht; unterschiedliche Sichtweisen in USA und Europa; die EMRK ächtet im Unterschied zur UN-Charta die Todesstrafe ganz grundsätzlich und ohne Ausnahme; auf UNO-Ebene war eine absolute Ächtung der Todesstrafe bisher nicht durchzusetzen. 

  • Die Definition von Würde als Recht auf körperliche und psychische Integrität führt logisch zu einem absoluten Folter-Verbot. Dieses ist auch in einer geltenden UNO-Konvention festgeschrieben und in zivilisierten Staaten geltendes Rechtsprinzip.


  • Grenzen der Gültigkeit des Konzepts der Menschenwürde am Lebensanfang, also vor der Geburt: Ab wann ist ein Embryo ethisch eine Person, die über Menschenwürde verfügt? Gibt es eine abgestufte Menschenwürde? Relevant ist das für Diskussionen rund um moderne medizinische Verfahren wie PID, PND, embryonale Stammzellenforschung, Schwangerschaftsabbruch, …)

  • Grenzen der Gültigkeit des Konzepts am Lebensende: Menschenwürde von verstorbenen Menschen / sterbenden Menschen. Relevant ist das z. B. bei Organtransplantation, beim Umgang mit Leichnamen z. B. bei Obduktionen oder in der Forschung, Schändung von Leichen // Gräbern; Diskussionen gab es auch um die Ausstellung „Körperwelten“ von Gunther von Hagen

Arbeitsaufgaben

A1: Fasse die unterschiedlichen Definitionen von "Menschenwürde" zusammen. Erkläre, ob und inwiefern sie sich "überschneiden"

A2: Führe Beispiele an, in denen die Diskussion um die Wahrung oder die Verletzung von Menschenwürde eine relevante Rolle spielen. 

A3: Menschenrechte sind im Kern Anspruchsrechte eines Individuums an "den Staat". Inwiefern ist der Staat in der Pflicht, wenn es um die Wahrung und Durchsetzung von Menschenwürde geht. Was muss er tun? 

A4: Welche Konsequenzen hat es, wenn wir Menschenwürde als absolutes, unteilbares, unveräußerbares Recht definieren? Wo wird diese Sichtweise "zu einer Herausforderung"? In welche Grenz-Bereiche kommen wir in diesem Zusammenhang, wenn wir z. B. an Organspenden, PID/PND, Prostitution, Todesstrafe, ... denken?


A5: Der Begriff der Menschenwürde und das Konzept der Menschenwürde wird z. T. auch kritisch gesehen. Welche Kritikpunkte nennen KritikerInnen? Welche Gesichtspunkte zur Verteidigung lassen sich dennoch anführen? 

Links

  • Zellux-Net: Menschenwürde in Zusammenhang mit bioethischen Diskussionen
  • bpp über Menschenwürde (ausführliche Definition und Diskussion)
  • Wikipedia über Menschenwürde