Arbeitsaufgaben zum Film:
In Österreich ist verboten und mit Gefängnisstrafe bedroht, was die Schweiz erlaubt oder zumindest "duldet": einem sterbenden Menschen auf dessen eigenen Wunsch ein Medikament zu geben, mit dem er sich selbst das Leben nehmen kann. Man nennt das "altruistische Beihilfe zum Suizid".
Das Attribut "altruistisch" ist wichtig, um sicher zu stellen, dass die Person, die in diesem Sinn Sterbehilfe leistet, davon nicht selbst profitiert. "Beihilfe zum Suizid" zieht eine klare Grenze zwischen der Tötung eines anderen Menschen (egal aus welchem Motiv heraus und egal unter welchen Umständen) auf der einen Seite und der Beihilfe zur Selbsttötung auf der anderen Seite. Die Tötung ist in der Schweiz strafrechtlich verboten. Die Beihilfe zur Selbsttötung unter bestimmten Umständen nicht.
Für manche Menschen ist das, was die Schweizer dulden, eine ethisch zulässige Form der Euthanasie. Der Begriff "Euthanasie" kommt von griech. „eu“ = „gut“ und „thanatos“ = Tod è „schöner Tod“. „Euthanasie“ ist in Österreich und Deutschland historisch belastet (NS: missbräuchliche Verwendung des Begriffs für die Ermordungvon Menschen mit einer Behinderung) und wird deshalb eher vermieden; es wird deshalb eher von „altruistischer Beihilfe zum Suizid“ oder vom „assistiertem Suizid“ gesprochen.
Wichtige Rahmenbedingungen // Voraussetzungen:
In der Schweiz gibt es Organisationen wie "Exit" oder "Dignitas", die sterbende Menschen auf dieser Grundlage in den Tod begleiten.
In der Schweiz ist Beihilfe zum Suizid gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. Unumstritten ist sie aber auch dort nicht. Insbesondere katholische Organisationen lehnen sie ab.
Der Fall Andre Rieder sorgt in der Schweiz Ende 2010 bzw. Anfang 2011 für heftige Diskussionen. Das hat zwei Gründe: Andre Rieder lässt sich von Exist in den Tod begleiten, obwohl er kein sterbender Mensch ist. Und er lässt sich bei seinem Weg in den Tod von einem Filmteam des Schweizer Fernsehens begleiten und filmen.
Die Fakten in Kürze: Die Sterbehilfeorganisation „Exit“ ermöglicht dem 55jährigen Andre Rieder den assistierten Suizid. Der Fall ist deshalb umstritten, weil Andre Rieder an einer schweren manisch-depressiven Erkrankung leidet und den Entschluss gefasst hat, sein Leben beenden zu wollen. Aber Andre Rieder ist kein Mensch, der an einer zum Tod führenden Krankheit leidet, also „sterbend“ im Sinn der Definition ist. Mit seiner Erkrankung könnte er noch viele Jahre weiterleben. Aber er empfindet sein Leben mit dieser Krankheit als nicht mehr lebenswert. „Exit“ betont, dass ein solcher Fall die absolute Ausnahme sei (zwei von über 200 Menschen, die Exit im Jahr 2010 in den Tod begleitet habe, hätten nicht an einer tödlichen Krankheit im Endstadium gelitten, sondern ihr Leben unter den gegebenen, nicht veränderbaren Umständen als nicht mehr lebenswert empfunden). Kritiker sehen in diesem Fall einen Beweis für ihre These, dass eine Freigabe des begleiteten Suizids für sterbende Menschen zu einer Aufweichung führe. Der Grundwert menschlichen Lebens und seine Schutzwürdigkeit werde immer mehr in Frage gestellt (Dammbruch-Argument; Argument der Shifting Baselines = der sich verschiebenden Grenzen)
Exit wurde 1982 als Verein gegründet. Die Organisation darf nicht gewinnorientiert sein. Nur Mitglieder können die Dienste von Exit in Anspruch nehmen.
Exit arbeitet auf unterschiedliche Weise (Patientenverfügungen, Palliativmedizinische Begleitung, Suizidprävention, Beihilfe zum Suizid) und hat nach eigenen Angaben ca. 50 000 Mitglieder. Exit erhält pro Jahr ca. 300 Anfragen für Freitodbegleitungen und leistet pro Jahr zirka 200 Mal Beihilfe zum Suizid. Die Beihilfe zum Suizid wird durch ausgebildete ehrenamtliche FreitodbegleiterInnen geleistet.
Exit betont in ihrem Selbstbild / Leitbild sehr stark das Selbstbestimmungsrecht des Menschen; Exit betont, dass das Selbstbestimmungsrecht auch das Recht auf ein selbstbestimmtes und selbstgestaltetes Sterben umfasse; Exit kämpft auch auf politischer Ebene (international) für eine Legalisierung von Beihilfe zum Suizid.
Die Arbeit von Exit wird vor allem von kirchlichen (v.a. katholischen) Organisationen sehr kritisch gesehen und bewertet; (eher vereinzelt) gibt es Vorwürfe, Exit arbeite manipulativ und gewinnorientiert
Im Kern der Debatte geht es um die Frage, ob ein Mensch das Recht hat, sein Leben selbst zu beenden. Und ob er sich dabei helfen lassen darf.
Auf der einen Seite ...
Viele Menschen, die sich eine solche Möglichkeit wünschen, haben Angst vor einem Sterbeprozess, der für sie und nach ihrem eigenen Empfinden mit Schmerzen, Ohnmacht, Ausgeliefert-Sein, "Dahin-Vegetieren" verbunden ist oder sein könnte. Deshalb ist es für sie legitim, das eigene Leben selbst zu beenden, wenn sie es als nicht mehr würdig betrachten. Wenn es dafür keine legale Möglichkeit gibt, ist ein Suizid aber oft ein entwürdigender Schritt, den die betroffenen heimlich setzen müssen. Sie können sich von niemandem verabschieden. Sie müssen brutale Methoden (Zug, erhängen, ...) wählen. Und Angehörige bleiben mit vielen offenen Fragen zurück.
Auf der anderen Seite ...
Das Autonomieprinzip besagt in seiner engen Definition, dass ein Mensch über sein eigenes Leben solange autonom entscheiden kann, solange seine Entscheidung das Leben und die Interessen anderer Menschen nicht (wesentlich) tangiert.
Das beinhaltet auch das Recht, sich selbst zu schaden (Drogenkonsum)
Das beinhaltet unter bestimmten Umständen auch das Recht, das eigene Leben auf eine selbstbestimmte Art zu beenden.
Grundwert des menschlichen Lebens; Tötungsverbot; Verpflichtung, einen Menschen vom Suizid abzuhalten
Schutz des menschlichen Lebens (unabhängig von qualitativen Fragen wie Lebensqualität) ist eines der höchsten Güter in unserer Gesellschaft.
Der ärztliche Handlungsauftrag besteht darin, Leben zu schützen und Leben zu retten. Eine Beihilfe zur Tötung widerspricht diesem Prinzip.
Angst vor Missbrauch // vor der Aufweichung des Prinzips des Lebensschutzes, wenn Beihilfe zum Suizid toleriert wird (chronisch kranke Menschen, depressive Menschen, … könnten Beihilfe zum Suizid wünschen und erhalten)
Zweifel, dass Manipulation und Missbrauch ausgeschlossen werden können; Zweifel, dass sicher gestellt werden kann, dass Menschen immer autonom und selbstbestimmt zu einer Entscheidung kommen; Problem des sozialen Drucks (Menschen glauben, ihr Leben anderen nicht mehr zumuten zu können)
Problem, dass sterbende Menschen oft nicht mehr wirklich in der Lage sind, ihren Willen akut zu äußern. è Gefahr von Missbrauch
Vor allem die katholische Kirche argumentiert mit der Heiligkeit des Lebens. Nur Gott hat die Macht und das Recht über Leben und Tod zu entscheiden
Quellen: