Beispiel 1. Das faktorenanalytische Persönlichkeitsmodell von Eysenk (W)

Abb.: Persönlichkeitsmodell nach Eysenck (Quelle: Simon, S. 20)
Abb.: Persönlichkeitsmodell nach Eysenck (Quelle: Simon, S. 20)

Die meisten statischen Persönlichkeitstheorien führen das Verhalten von Menschen in konkreten Situationen auf Grundstrukturen im Erleben – konkret: Wahrnehmungsmuster, Denkmuster, Emotionalität, Werthaltungen etc. – zurück.

 

Eine sehr alte Typentheorie (Hippokrates, 4. Jh. v.u.Z; Galen, 129 – 199 u.Z) unterscheidet zwischen vier Grundpersönlichkeitstypen, die auch mit bestimmten körperlichen Grundmerkmalen in Beziehung gesetzt werden. Wissenschaftlich ist diese Theorie unhaltbar. Aber von der Grunddimensionierung her finden sich Anleihen daran in verschiedenen Persönlichkeitsmodellen. Unterschieden wird zwischen

 

  • Sanguinikern („sanguis“ = Blut; viel Blut; voller Lebensenergie; „steht unter Strom“)
  • Phlegmatikern („phlegma“ = Schleim; Übermaß an Schleim)
  • Cholerikern („chole“ = Galle; Übermaß an gelber Galle)
  • Melancholikern („melas“ = schwarz; Übermaß an schwarzer Galle)

Der britische Psychologe Hans Eyseck verbindet diese Grundtypologie mit einer Grunddimension aus der Tiefenpsychologie (genauer: aus der Analytischen Psychologie; C. G. Jung), nämlich einer grundlegenden Orientierung in Richtung Introversion (nach innen gekehrt) oder Extraversion (nach außen orientiert). Weiters berücksichtigt er die Stabilität bestimmter Verhaltens- und Erlebensweisen.

 

Kombiniert mit einzelnen Formen des Erlebens lassen sich dann in etwa folgenden Pole – die bei Einzelpersonen mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können – unterscheiden (vgl. Simon, S. 23ff)

 

  

 

Extraversion

Introversion

allgemein

Orientierung nach „außen“; Tendenz zur Offenheit; Neugierde; Wandel

Orientierung nach „innen“; Tendenz zur Verschlossenheit; Sicherheit: Beständigkeit

Denken

Der extravertierte Denktyp setzt sich mit der Welt analytisch auseinander; er bewertet und beurteilt tendenziell sachlich; er versucht, die Umwelt aktiv mitzugestalten und zu verändern; er trifft Entscheidungen und gibt Anweisungen; unsichere Situationen werden vom allem im Hinblick auf Chancen bewertet.

Der introvertierte Denktyp denkt analytisch-reflektiert; er ist stark an Tatsachen orientiert; er versucht nicht, die Außenwelt zu verändern und behält Ideen eher für sich; eher versucht er sich an die Welt – so wie er sie verstanden hat – anzupassen und einzuordnen; tendenziell sieht er unsichere Situationen vor allem unter dem Risikoaspekt.

Fühlen; Emotionen

Der extravertierte Fühltyp sucht offensiv den Kontakt zu anderen Menschen; er ist eher harmonieorientiert, aber durchaus in der Lage, Konflikte auszuhalten; er tendiert dazu, Aggressivität einzusetzen, um eigene Ziele durchzusetzen; er hat tendenziell eine hohe Angstschwelle („Angstsucher“; „Kick“); er ist eher extrinsisch motiviert (Lob, Anerkennung, Karriere)

Der introvertierte Fühltyp tendiert zu sozialer Zurückhaltung; er geht (möglichen) Konflikten eher aus dem Weg; er zeigt seine Gefühle nur Menschen, die er kennt und denen er vertraut; er orientiert sich in seinem Verhalten aber sehr stark an seinen Gefühlen; er vermeidet Aggressivität und verzichtet im Zweifel lieber darauf, ein Ziel gegen Widerstände durchzusetzen; er ist in seiner Tätigkeit eher intrinsich motiviert (Sinn, eigene Befriedigung); er hat tendenziell eine niedrige Angstschwelle (vermeidet Risiken; konzentriert sich auf Bekanntes)

Wahrnehmung

Die Stärke liegt in der Wahrnehmung der äußeren Realität und der tatsächlichen Gegebenheiten; in der Wahrnehmung ist er stark tatsachenorientiert; die Wahrnehmung ist tendenziell eher „fragmentiert“ und auf Einzelelemente bezogen; Abstraktes und Vages („Gehirngespinste“; Fantasien) lehnt er eher ab; die Eigenwahrnehmung ist oft eher undifferenziert

Die Stärke der Wahrnehmung liegt in der Selbstwahrnehmung und der Selbstreflexion; er reagiert auf äußere Wahrnehmungen oft nicht direkt (vor allem: nicht spontan), sondern nimmt sich Zeit zur Reflexion und zum Überdenken; er tendiert eher dazu, Zusammenhänge und „das Ganze“ zu sehen.

 

 

Persönlichkeitspsychologische Testverfahren bauen auf diesen Grundmustern auf und „messen“, inwieweit eine konkrete Person (zu einem bestimmten Moment) einzelne Tendenzen in diesen Dimensionen zeigt. Die Auswertung ist an der Gaußschen Normalverteilung („Glockenkurve“) orientiert. Im Mittleren Bereich liegen die durchschnittlichen (häufigen) Werte, davon abweichend liegen im rechten und linken Randbereich die Extremwerte.