Philosophie der Menschenrechte

Was sind wichtige Attribute, die Menschenrechten zugeschrieben werden?

Menschenrechts-Ideen basieren auf dem Menschenbild der Aufklärung (18. Jh), das den Menschen als Vernunftwesen definiert. Weil alle Menschen vernünftige Wesen sind, sind alle Menschen von Natur aus gleichwertig. Und weil alle Menschen vernünftige Wesen sind, sind sie selbst in der Lage, für sich und ihr Leben zu entscheiden. Teilweise wurzeln sie philosophisch aber auch in älteren christlichen Grundvorstellungen (Alle Menschen als Geschöpfe Gottes à Gottesebenbildlichkeit des Menschen; Gleichheit aller Menschen). Auch der ältere Humanismus (z. B. Recht auf Glück in dieser Welt) spielt hier eine Rolle. Ihre Durchsetzung ist ein langwieriger, viele Jahrhunderte dauernder und immer wieder von Rückschlägen gekennzeichneter Prozess.

 

Die Menschenrechtsidee ist wesentlich älter als die UN-Menschenrechtscharta von 1948. Sie basiert auf der Idee, dass es Rechte gebe, die als

  • natürliche
  • angeborene
  • unveräußerliche
  • unteilbare
  • universelle

 

Rechte jedem Menschen auf der Welt zustehen. Sie stehen dieser Auffassung zufolge über dem positiv gesetzten staatlichen Recht. Und sie können durch staatliches Recht nicht „aufgehoben“ oder „ausgehebelt“ werden. 

Was bedeuten diese Attribute?

natürlich

… Rechte, die im Unterschied zu positiven oder gesetzten Rechten einem Menschen nicht durch ein Gesetz verliehen werden, sondern die ihm quasi von Natur aus zukommen.

 

Nach modernem Menschenrechtsverständnis sind Menschenrechte natürliche Reche, die einem Menschen zukommen, einfach deshalb weil er ein Mensch ist. Kein Staat muss sie ihm per Gesetz verleihen. Kein Staat kann sie ihm aber auch durch Gesetz nehmen.

 

Im Hintergrund steht die Erfahrung, dass z. B. im NS Juden und anderen Personengruppen per Gesetz fundamentale Rechte einfach abgesprochen wurden. Für einen reinen Rechtspositivisten ist damit alles ok. (Vgl. die Argumentation Mohrs in „Sophie Scholl. Die letzten Tage“)

 

angeboren

… Rechte, die einem Menschen unmittelbar nach seiner Geburt zukommen, die er also nicht erst erwerben oder verdienen muss.

 

Aus heutiger Sicht ist dieser Begriff falsch, weil er zu spät ansetzt, denn es gibt auch vorgeburtliche Rechte, wie man z. B. an Themen wie Schwangerschaftsabbruch oder Gentechnik sieht.

 

Umstritten ist die Frage, wann diese Rechte konkret beginnen und ob es abgeschwächte Menschenrechte gibt / geben kann, wenn es um vorgeburtliches Leben geht (PID, PND, Schwangerschaftsabbruch, …)

 

 

unveräußer-lich

… Rechte, die ein Mensch nicht / unter keinen Umständen verlieren kann. Was auch immer jemand tut, er kann seiner MR nicht verlustig gehen; er kann nicht auf sie verzichten; er kann sie nicht „verkaufen“ oder sonst irgendwie loswerden; solange jemand ein Mensch ist, bleiben ihm die MR;

 

wichtig z. B. in der Diskussion um Todesstrafe oder um eine Aufweichung des Folterverbots (z. B. Terrorgefahr); spielt auch in der Diskussion um Töten auf Verlangen eine Rolle.

 

unteilbar

…, dass man nicht ein MR. gegen ein anderes ausspielen oder eintauschen kann; in der Praxis ist aber nur Menschenwürde als oberster Wert ziemlich absolut unantastbar; Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte sind nur als Abwägungsrechte praktizierbar, d. h. sie gelten nur in Relation und Abwägung zu anderen gleich starken Rechten;

 

sonst wäre es ja auch nicht möglich, jemanden zu einer Freiheitsstrafe zu verurteilen; entscheidend ist aber, dass die Art der Freiheitsstrafe nicht in Widerspruch zu anderen Grundprinzipien – v. a. der Menschenwürde – steht und dass sie in Relation zu anderen Grundrechten (z. B. dem Recht auf Leben von anderen Menschen) steht.

universell

… dass MR jedem Menschen auf der Erde zukommen. Unabhängig von der Kultur, in der er lebt, von der Religion, der er angehört, vom politischen System, unter dem er lebt, ….

 

Dieser Aspekt ist sehr spannend und spielt z. B. wenn es um Frauenrechte in nicht-westlich geprägten Kulturen geht, aber auch wenn es um Diskussionen über die Todesstrafe mit Vertretern asiatischer Staaten geht, eine wichtige Rolle.

Am Beispiel des Menschenrechts Freiheit erklärt ...

Kategorie

Begriff:

Bedeutung

Kernrecht; Naturrecht;

Menschenrecht im engeren Sinn

Freiheit der Person

 

(absolutes Recht; kein Abwägungsrecht!)

Niemand darf per Gesetz versklavt werden; kein Mensch darf per Gesetz zum „Eigentum“ / „Objekt“ erklärt werden

 

Bsp.: Sklaverei in den USA / Südstaaten bis in 19. Jh. è rechtliche Abschaffung der Sklaverei

 

Bsp.: vollkommene Unterordnung der Frauen unter den Willen der Männer in Afghanistan unter dem Taliban-Regime è rechtliche Besserstellung nach der Entmachtung der Taliban

Abwehrrechte gegen den Staat

Freiheit vom Staat

 

(Abwägungsrecht: Güterabwägung, eventuell Einschränkung, wenn es eine Kollission mit anderen gleichwertigen Rechten gibt)

Schutz des einzelnen Bürgers vor staatlicher Willkür / staatlichen Übergriffen; der Staat mit seinem Gewaltmonopol muss in seinen Durchgriffsmöglichkeiten gegen BürgerInnen beschränkt werden; Ausgleich Staat – Bürger

 

Bsp: Schutz der Privatsphäre (Bankgeheimnis, Briefgeheimnis, Fernmeldegeheimnis, ...) und des Eigentums; Religionsfreiheit;

 

Teilhaberechte; Partizipations-rechte

Freiheit im Staat

 

(Abwägungsrecht; Güterabwägung; eventuell Einschränkung)

BürgerInnen haben das Recht, ihren politischen Willen zu artikulieren und das Recht auf politische Mitgestaltung; „Alle Macht geht vom Volk aus“

 

Bsp: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versamm-lungsfreiheit, …

Solidarrechte

Freiheit durch den Staat / mithilfe des Staates

Siehe oben!