Was sagt die Statistik?

Vergleiche die statistischen Zahlen, die in den Grafiken abgebildet sind. Wie lassen sich die folgenden Fragen auf der Grundlage dieser Zahlen beantworten: 

 

a) Wie groß ist das Problem der Jugendgewalt / Jugenddelinquenz in Österreich? Ist es ein Randproblem? Oder ist es ein großes gesellschaftliches Problem? 

 

b) Wie ist die Entwicklung? Nimmt Jugendgewalt zu? Nimmt Jugendgewalt ab? Bleibt sie gleich? Oder kann man das nicht sagen? 

 

c) Welche Delikte begehen Jugendliche häufiger? Was sind für Jugendliche typische Delikte?

 

d) Gibt es besondere "Risikogruppen", wenn es um Jugendliche Straftäter geht? 

 

 

"Der Standard" 9. 1. 2009
"Der Standard" 9. 1. 2009
"Die Presse" 1. 4. 2009
"Die Presse" 1. 4. 2009
"Die Presse", 23. 8. 2007
"Die Presse", 23. 8. 2007
"Die Presse", 23. 4. 2009
"Die Presse", 23. 4. 2009

Warum Jugendliche mit dem Gesetz in Konflikt geraten ...

Jugendlicher Taxiräuber vor Gericht (vol.at)
Jugendlicher Taxiräuber vor Gericht (vol.at)

Gibt es eine verbrecherische Anlage?

 

Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft gibt es eine verbrecherische Anlage nicht. Dennoch gibt es angelegte psychische Konstitutionen, die das Kriminell-Werden erleichtern. Ist z.B. jemand jähzornig, wird er leichter eine Straftat begehen als jemand, der zaghaft ist und die Vor- und Nachteile von Straftaten gegeneinander abwägt. Doch solche Defizite können auch Folge sozialer Einflüsse sein. Auch Intelligenz hat keinen Einfluss auf die Kriminalität als solche, sondern lediglich auf die Art der Kriminalität.


(Einen Überblick über grundlegende Theorien, die die Entstehung von Gewaltbereitschaft zu erklären versuchen, findest du im Kapitel Jugendgewalt, das dem Themenfeld Identität zugeordnet ist, also hier.)

 

Welche Bedeutung spielt die Pubertät?

 

Studien zeigen, dass eine große Gruppe der Menschen, die im Erwachsenenalter straffällig wird, bereits im Jugendalter erste kriminelle Straftaten begangen hat. Andererseits werden 75 Prozent der straffällig gewordenen Jugendlichen im Erwachsenenalter nicht mehr auffällig.

 

Die Phase der Pubertät ist für die Entwicklung der Persönlichkeit von besonderer Bedeutung. Gerade in dieser Lebensphase sucht der Jugendliche seine eigene Identität. Dabei ist er einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt.

 

Der Jugendliche kann etwa unter Minderwertigkeitsgefühlen, z.B. wegen körperlicher Mängel, leiden oder versuchen, sich für erzieherische Einengungen zu entschädigen. Auch bei Eigentums- und Gewaltdelikten spielen oft Entwicklungsschwierigkeiten eine Rolle. Für Jugendliche werden Peer-Groups zu wichtigen Bezugspunkten. Wenn in diesen Gruppen Verhaltensnormen gelten, die dem Gesetz widersprechen, rutschen Jugendliche leicht über Gruppendruck in die Kriminalität. (Z. B. Mutproben). Auch jugendliches Neugierverhalten und Rebellion gegen die Werte der Erwachsenenwelt können zum Konflikt mit dem Strafgesetz führen (z. B. Suchtmittel-Missbrauch)

 

Und die Familie?

 

Oft gibt es in Familien delinquenter Jugendlicher starke Belastungen. Bereits in einer Studie von 1950[1] wurde festgestellt, dass …

  • delinquente Jugendliche häufiger aus Familien mit Alkoholproblemen kommen,
  • delinquente Jugendliche häufiger aus instabilen Familien (mehrere wechselnde Bezugspersonen, z. B. Stiefeltern) stammen
  • delinquente Jugendliche selten Väter hatten, die Gefühle wie Wärme, Sympathie und Zuneigung zeigen konnten,
  • delinquente Jugendliche häufig entweder sehr inkonsequent oder sehr streng-autoritär erzogen wurden und dass körperliche Strafen häufiger vorkamen.

 

Und die Persönlichkeit?

 

Jugendliche, die delinquent werden, weisen öfters markante Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung auf. Zum Beispiel sind diese Jugendlichen

  • weniger fähig, sich selbst und ihr Verhalten zu reflektieren, bevor sie handeln
  • weniger fähig, positive Zukunftsperspektiven für das eigene Leben zu entwickeln
  • impulsiver und aus dem Augenblick heraus handelnd
  • weniger fähig, emotionale Spannungen auszuhalten und konstruktiv umzusetzen
  • weniger fähig, sich in andere Menschen hineinzufühlen und hineinzudenken; die Psychologie spricht dabei von mangelnder oder unterentwickelter Empathiefähigkeit

[1] Sheldon und Eleonor Glueck

Wie wir mit jugendlichen Straftätern umgehen (sollten) ...

Kinder und Jugendliche unter 14

Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren sind in Österreich nicht strafmündig. Das heißt, dass sie strafrechtlich keine Verfolgung befürchten müssen, wenn sie als Täter verdächtig sind. Allenfalls erfolgt eine Meldung an die Staatsanwaltschaft. Und die Staatsanwaltschaft informiert die Jugendwohlfahrt. Diese muss überprüfen, ob das Wohl des Kindes / Jugendlichen gefährdet ist und gegenbenenfalls eingreifen. 

 

Jugendliche von 14 bis 18: 

 

F'ür Jugendliche von 14 bis 18 greift das Jugendstrafrecht. Das geht auf der einen Seite davon aus, dass Jugendliche in diesem Alter bereits so reif und einsichtig sind, dass sie das Unrecht einer Tat erkennen und die möglichen Folgen abschätzen können müssten. Auf der anderen Seite berücksichtigt es, dass Jugendliche noch in ihrer Entwicklung sind, ihre Grenzen oft noch nicht kennen, oft spontan und unüberlegt handeln oder sich von anderen (Gruppenzwang) beeinflussen lassen. 

 

Das Jugendstrafrecht verfolgt zwei widersprüchliche Ziele: Es muss und soll den Jugendlichen, die straffällig werden, Grenzen aufzeigen. Auf der anderen Seite soll es aber nicht dazu führen, dass Jugendliche wegen einer "Dummheit" kriminalisiert werden und - beispielsweise weil sie hohe Strafen abzahlen oder eine strafrechtliche Verurteilung im amtlichen Führungszeugnis haben - schlechte Chancen auf eine berufliche Anstellung oder eine entsprechende Ausbildung haben. 

 

Generell kann man sagen, dass die Strafen im Jugendstrafrecht um einiges (im Schnitt: um die Hälfte) niedriger sind als im Erwachsenenstrafrecht. Außerdem gibt es mehr Möglichkeiten, von einer strafrechtlichen Verurteilung abzusehen und anstattdessen z. B. eine Diversion (außergerichtlicher Tatausgleich, Wiedergutmachung) auszusprechen. 

 

Generell gelten im Jugendstrafrecht folgende Grundsätze: 

 

  • Diversion und außergerichtlicher Tatausgleich haben Vorrang vor einer strafrechtlichen Verurteilung (Führungszeugnis!) 
  • Erziehung / Nachreifung als Ziel steht im Vordergrund; auch und gerade bei Gefängnisstrafen (Ziel wäre, Jugendliche, die ins Gefängnis müssen, in einer Jugendstrafanstalt unterzubringen. Allerdings sind Jugendgerichte und Jugendgefängnisse in den letzten Jahren starkt gesundgespart worden. Jetzt ist ein Teil dieser Jugendlichen im "normalen" Erwachsenenvollzug eingesperrt, was Kritikern zufolge für die Entwicklung dieser Jugendlichen problematisch ist); straffällige Jugendliche sollen z. B. die Möglichkeit bekommen, eine Berufsausbildung oder einen Schulabschnluss nachzuholen, ...) 
  • Anti-Gewalt-Training bei gewaltbereiten Jugendlichen; Konzept von "Therapie statt Strafe"
  • Strafe dient dazu, einem Jugendlichen Grenzen aufzuzeigen; die "erziehere Funktion" steht im Vordergrund
  • Keine Generalprävention im Jugendstrafrecht (das heißt: keine Strafen, die auch der Abschreckung anderer potentieller Straftäter dienen) 

ab 18 Jahren

Menschen, die zum Tatzeitpunkt 18 Jahre oder älter sind, werden grundsätzlich nach dem normalen Erwachsenenstrafrecht behandelt. Aber im Einzelfall kann - wenn ein Täter eher "unreif" ist - dennoch das Jugendstrafrecht angewendet werden.