Die Philosophie und das Glück ...

Auch die Philosophie als die Disziplin, die "zwischen Religion und Wissenschaft" steht, beschäftigt sich immer wieder mit der Frage nach dem Glück.

 

Eine Epoche, in der die Frage nach dem Glück in der Philosophie sehr wichtig ist, ist die späte Antike. Das ist die Zeit, die man auch Hellenismus nennt, also etwa die Zeit von 400 v.u.Z. bis ungefähr zum Jahr 0. Das Römische Weltreich ist in dieser Zeit auf seinem Höhepunkt. Das griechische Denken beeinflusst die römische "Lebenskultur" auf vielfältige Weise. Zwei gegensätzliche Richtungen, in denen die Frage nach dem Glück ganz wichtig ist, sind die Stoa und der Hedonismus.

 

Aber auch der griechische Philosoph Aristoteles (4. Jh. v.u.Z.) entwickelt bereits eine sehr interessante Glückstheorie. 

 

Aristoteles und die Idee vom Glück: Glücklich ist, wer ein gutes Leben führt.

Glück, also  "Eudaimonia", ist für den griechischen Philosophen Aristoteles vor allem das Ergebnis einer guten Haltung und Einstellung gegenüber dem Leben.

 

 

Diese Haltung ist durch zwei Aspekte gekennzeichnet: Auf der einen Seite glaubt er, dass wir dann am glücklichsten werden, wenn wir den Herausforderungen, die das Leben für uns bereithält, mit einer gewissen Distanz und Gelassenheit begegnen. Andererseits glaubt er, dass wir dann glücklich werden, wenn wir unsere Pflichten erfüllen und im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas zur Gemeinschaft, in der wir leben, beitragen.  Glück ist für Aristoteles also das Begleit-Ergebnis einer ethisch durchdachten und richtigen Lebensführung: Wenn ich das Richtige tue und wenn ich nach Wahrheit und Erkenntnis strebe, werde ich auch Glück erfahren können. 

Der stoische Weg zum Glück: Glücklich ist, wer keine Bedürfnisse hat.

„Der Tod bedeutet die Tilgung jeglichen Schmerzes, und er ist die Grenze, über die unsere Leiden nicht hinausgelangen; er gibt uns wieder jenen Zustand der Ruhe zurück, dem wir vor unserer Geburt angehörten.“ (Seneca)

 

„Du wirst aufhören zu fürchten, wenn du aufhörst zu hoffen.“ (Seneca)

 

„Daher muss man sich zur Freiheit durchringen. Diese erreicht man durch nichts anders als durch Gleichgültigkeit gegen das Schicksal“ (Seneca)

 

Die Stoiker (der Begriff kommt von Stoa = Säulenhalle; gemeint ist die Säulenhalle auf dem Marktplatz, wo über philosophische Fragen nachgedacht wurde) stellen die Frage nach dem Glück ins Zentrum ihres Denkens. Als Begründer der Stoa gilt ein gewisser Zenon von Kition (3. Jh. v. u. Z.). Viele griechische und römische Denker werden der Stoa zugerechnet, beispielsweise der Politiker und Dichter Seneca (1. Jh. u. Z.) und Marc Aurel, der auch als der Philosoph auf dem Kaiserthron bezeichnet wird (2. Jh. u. Z.)

 

Ausgangspunkt für die Überlegungen der Stoiker ist, dass Menschen auch inmitten des größten materiellen Luxus todunglücklich sein können. Ein Grund ist, dass sie das, was sie haben, für selbstverständlich halten und es nicht mehr schätzen. Kaum haben sie etwas erreicht oder bekommen, streben sie schon nach dem nächsten. Ein anderer Grund ist aber auch, dass wir alles, was wir haben, auch wieder verlieren können. Und genau die Angst vor diesem Verlust ist das, was uns nach der Meinung der Stoiker unglücklich macht.

 

Deshalb kann man nach der Meinung der Stoiker nur glücklich werden, wenn man sich von äußeren Glücksgütern, aber auch von anderen „Werten“, wie beispielsweise von der Familie, von Freunden, von der Gesundheit, ja sogar vom eigenen Leben möglichst unabhängig macht. Nur wer keine Angst hat, etwas zu verlieren, weil er vollkommen bedürfnislos ist, kann glücklich sein. Eine solche Haltung dem Leben gegenüber kann nur durch langjähriges intensives Üben erreicht werden.

 

Die Ideen der Stoiker haben Ähnlichkeiten mit asketischen Ideen in asiatischen Religionen (v. a. im Buddhismus), aber auch mit asketischen Ideen z. B. im Christentum (Armut als Ideal, …). Allerdings ist das Ziel der stoischen Askese keine wie auch immer geartete jenseitige Erlösung. Es geht ihnen ausschließlich um das Glück in diesem Leben. 

 

Wichtig ist noch, dass die meisten Stoiker keineswegs nur das private Glück durch Verzicht erreichen wollen. Sie sehen auch im politischen Engagement eine wichtige Lebensaufgabe. Sehr oft vertreten sie – z. B. im Hinblick auf die gesellschaftliche Rolle der Frauen – ganz modern anmutende Positionen.

 

Diogenes von Sinope (412 – 323), auch bekannt als Diogenes in der Tonne

 

Diogenes hat dieses Ideal wahrscheinlich am konsequentesten in die Tat umgesetzt und sich damit natürlich dem Spott seiner Mitbürger ausgesetzt. Er lebt ohne Beruf und ohne Besitz, lehnt jeden Kunstgenuss ab und versucht das Glück zu finden, indem er alles nicht unbedingt Lebensnotwendige als „überflüssig“ ablehnt und versucht, ohne es auszukommen. Angeblich lebt er, um sich vor der Sonne und vor der Kälte zu schützen, in einem Fass. Das ist der einzige Bereich, wo er sich auf einen Kompromiss mit den Errungenschaften der Zivilisation einlässt. Angeblich ist Diogenes so berühmt, dass Alexander der Große ihn eines Tages besucht und ihm einen Wunsch erfüllen will. Daraufhin antwortet Diogenes angeblich: „Geh mir aus der Sonne!“

 

Der hedonistische Weg zum Glück: Genuss macht glücklich

Über nichts empfindet die Seele mehr Freude und Stille, als über die gegenwärtigen und erwarteten Lustempfindungen des Körpers“ (Epikur)

 

„Ursprung und Wurzel alles Guten ist die Lust des Bauches; denn auch das Weise und Subtile bezieht sich darauf zurück“ (Epikur)

 

„Leer ist die Rede jenes Philosophen, durch die keine menschliche Leidenschaft geheilt wird. Wie nämlich die Medizin nichts nützt, wenn sie nicht die Krankheiten aus dem Körper vertreibt, so nützt auch die Philosophie nichts, wenn sie nicht die Leidenschaft aus der Seele vertreibt.“ (Epikur)

 

Eine Gegenströmung zur Stoa ist der Hedonismus (von griech. hedone = Freude / Lust). Als Begründer gilt Aristippos von Kyrene. Ein bekannter Vertreter eines "verfeinerten Hedonismus" ist Epikur.

 

Die Hedonisten unterscheiden zwei grundlegende Zustände der menschlichen Seele: den Schmerz als die zerrissene, ungestüme, raue Bewegung der Seele und die Lust als die harmonische, und sanfte Bewegung der Seele. Glück ist der Zustand, in dem die Lust möglichst hoch und die Unlust möglichst niedrig ist.

 

Da Aristippos nicht zwischen unterschiedlichen Formen von Lust unterscheidet, ist für ihn alles, was Lust bereitet, prinzipiell erstrebenswert. Dazu zählen neben guten Gesprächen oder kulturellen Erfahrungen (Konzert, …) auch gutes Essen und Trinken und sexuelle Freuden oder andere Formen der körperlichen Lust. Nicht zuletzt diese Position hat dazu beigetragen, dass der Hedonismus teilweise einen etwas zweifelhaften Ruf genießt.

 

Etwas anders sieht dies Epikur. Glück ist für ihn vor allem ein Zustand, der frei ist von Unlust. Damit wird für ihn die Befreiung von allem, was Unlust (Schmerz, Angst, …) bereitet, zum zentralen Weg zu einem glücklichen Leben. Glück erlangt, wer sich von Unruhe (Ataraxie) und von Schmerz (Aponetos) zu befreien vermag. Ein zentraler Weg, Lust zu erfahren, ist für das Erleben von wirklicher Epikur wirklich Freundschaft. 

 

Die Idee, dass es im Leben vor allem darum gehe, eine Haltung zu entwickeln, die uns hilft, unvermeidliche negative Lebenserfahrungen zu bewältigen, finden wir z. B. dann auch in der Philosophie Arthur Schopenhauers (19. Jh). 

 

Aufgaben zum Nach- und Weiterdenken ...

  1. Wie ließe sich die Position der Stoiker und der Hedonisten kurz auf den Punkt bringen? Welcher Position stimmst du persönlich zu? 

  2. Machen materielle Güter, aber auch kulturelle Güter wie gute Musik, ein gutes Buch... glücklich? Wann? Wann nicht? Formuliere eine Position und belege sie mit eigenen Beispielen. 

  3. Stimmst du der These, dass hauptsächlich die innere Einstellung dafür verantwortlich ist, ob man glücklich ist oder nicht, zu? Wie begründest du deine Postion? Mit welchen Beispielen untermauerst du sie? 
     
  4. Glaubst du, dass Menschen, die viel Geld haben und in Wohlstand leben, glücklich sind? Inwiefern? Inwiefern nicht? Wenn sie nicht glücklich sind: Woran liegt das dann eurer Meinung nach?
     
  5. Schreibe eine „Anklageschrift“ oder ein „Loblied“ auf Stoa oder Hedonismus oder mache ein kurzes fiktives Interview mit einem Stoiker (z. B. mit Diogenes in der Tonne) oder mit einem Hodenisten.